Wie wichtig ist Mealtiming wirklich? – Teil 1: Post-Workout Ernährung

Der Begriff Mealtiming klingt beeindruckend. Wissenschaftlich. Wenn Du siehst wie Menschen aus den Bereichen Sport und Training mit diesem Begriff herumwerfen, würdest Du denken, dass es sich um etwas recht Wichtiges handeln muss. Aber ist es wirklich so wichtig? Spielt es eine Rolle, wann Du isst? Für die Gesundheit, die Körperkomposition und die Leistungsfähigkeit? Wir wollen in einer dreiteiligen Serie einen Blick darauf werfen und die tatsächliche Wichtigkeit des Mealtimings herausfinden.

Nährstofftiming vereinfacht betrachtet

Nährstofftiming bedeutet ganz einfach, dass man spezifische Nährstoffe, wie Protein oder Kohlenhydrate, in spezifischen Mengen zu spezifischen Zeiten zu sich nimmt. Wissenschaftler haben diese Praxis im Lauf der letzten Jahrzehnte aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet und ihre Forschungsergebnisse haben eine Menge Aufregung generiert. Mit der Veröffentlichung von „Nutrient Timing: The Future of Sports Nutrition“ von Drs. John Ivy und Robert Portman Anfang des 21. Jahrhunderts wurde die Idee des Nährstofftimings die “nächste große Sache.“

Ernsthaft, jeder Sporternährungsexperte, der diese Bezeichnung zu Recht trug, besaß eine Ausgabe.  Auch Dr. John Berardi war einer der frühen Forscher in diesem Bereich. Ein großer Teil seines Masters und seiner Doktorarbeit hatten etwas mit der Betrachtung von Nährstofftiming und dessen Auswirkungen auf die Regeneration nach sehr intensivem Training zu tun. Er hat sogar etwas zu dem zuvor erwähnten Buch über Nährstofftiming beigetragen.

Post-Workout Mahlzeiten und Mahlzeiten zu anderen Zeiten

Es ist nicht überraschend, dass das Konzept des Nährstofftimings seinen Weg in allgemeine Empfehlungen für Sportler fand. Wir haben Mahlzeiten in Post-Workout Mahlzeiten, die nach dem Training konsumiert werden und Mahlzeiten, die zu anderen Zeiten gegessen werden, aufgeteilt. Diese Kategorien implizieren, dass man zu unterschiedlichen Zeiten des Tages unterschiedliche Mahlzeiten essen sollte.

Hierzu ein kleines Beispiel:

Post-Workout Mahlzeiten enthalten mehr Kohlenhydrate – insbesondere schneller verdauliche Kohlenhydrate wie Stärke (z.B. Kartoffeln oder Reis) oder „süße“ Kohlenhydrate, wie beispielsweise in Form von Obst. Dagegen enthalten Mahlzeiten zu anderen Zeiten des Tages weniger Kohlenhydrate und konzentrieren sich mehr auf fettarmes Protein, gesunde Fette und ballaststoffreiches Gemüse.

Die wissenschaftlichen Belege – deren Umfang zu dieser Zeit limitiert war – scheinten zu zeigen, dass diese strategische Platzierung von Kohlenhydraten hart trainierenden Menschen dabei helfen könnte, bessere Leistungen zu erbringen. Gleichzeitig sollten die Sportler dadurch sogar schlanker, stärker und gesünder werden.

Doch die wissenschaftlichen Belege waren nicht auf Sportler begrenzt. Selbst Diabetiker vom Typ 2 sprachen nach einer die Kohlenhydratspeicher entleerenden Trainingseinheit besser auf Kohlenhydrate an. Somit wurden die Empfehlungen für Post-Workout Mahlzeiten und Mahlzeiten zu anderen Zeiten des Tages geboren.

Der Wandel der Dinge

Die Sachlage hat sich in den letzten Jahren allerdings immer weiter verändert. Nun, nicht so sehr verändert. Es ist eher so, dass Experten ihr Wissen vertieft haben, wie das immer der Fall ist, wenn mehr wissenschaftliche Untersuchungen verfügbar werden.

Seit Anfang des Jahrtausends hat man entdeckt, dass einige der frühen Studien Designfehler oder Schwächen aufwiesen. Zunächst handelte es sich hauptsächlich um kurzzeitige Studien, die nur ein paar Wochen oder Monate oder vielleicht auch nur ein paar Trainingseinheiten umfassten. Aus diesem Grund konnten sie uns nichts darüber sagen, was über einen längeren Zeitraum gesehen geschehen würde.

Des Weiteren betrachteten sie das, was wir als „weiche“ Endpunkte bezeichnen. Hierzu gehören die Proteinsynthese, die Wiederauffüllung der Glykogenspeicher oder die Stickstoffbilanz. Aus diesem Grund hatten wir keine so genannten „harten“ Endpunkte wie tatsächlichen Fettabbau oder Muskelaufbau.

Nachdem mehr langfristige Daten auftauchten, begann Nährstofftiming interessanterweise scheinbar weniger eine universelle Lösung zu sein. Sicher, es gab starke Hinweise darauf, dass es in bestimmten Szenarien nützlich und wichtig sein könnte. Viele Befürworter des Mealtimings berichteten von fantastischen Resultaten. Zusätzlich hierzu gibt es die berühmte und häufig zitierte Studie von Cribb und Hayes aus dem Jahr 2006. Im Rahmen dieser Studie zeigten die Wissenschaftler, dass die Einnahme von Protein, Kohlenhydraten und Kreatin rund um eine Trainingseinheit zu größeren Zuwächsen an Muskelmasse und Kraft führen kann, als wenn dieselben Nährstoffe in größerem zeitlichen Abstand vom Training konsumiert werden.

Unglücklicherweise sprechen nur sehr wenige Menschen über die Kehrseite: Spätere Untersuchungen, die ähnliche Protokolle verwendeten, konnten diese Wirkung nicht reproduzieren!

Was schließen wir aus all dem?

Nun, Forschungsstudien sind nicht perfekt. Und Resultate von Studien stimmen nicht immer überein. Anstatt das Ganze durch eine Aufzählung von Studien darzulegen, geben wir euch lieber eine Zusammenfassung.

Basierend auf dem augenblicklichen Stand der Forschung und den Erfahrungen vieler Coaches kann man zum Ergebnis kommen, dass das Nährstofftiming für die meisten Menschen, die versuchen besser auszusehen und sich besser zu fühlen, nicht besonders wichtig ist. Das bedeutet allerdings nicht, dass Nährstofftiming tot, nutzlos oder was auch immer ist. In bestimmten Situationen ist es wahrscheinlich wirklich wichtig. Hierzu haben wir an späterer Stelle noch weitere Infos für euch.

Eine Menge intelligenter und hart arbeitender Leute haben sich jedoch in den feineren Details des Nährstofftimings verloren, während sie konsistent zu wenig Schlaf bekommen haben, zu wenig Gemüse gegessen haben und andere – wichtigere – Gesundheits- und Lebensstilfaktoren vernachlässigt haben. Und das ist wirklich eine Schande.

Das war soweit das erste Fazit. Wenn ihr an der Materie noch mehr Interesse habt, gehen wir im Folgenden ein wenig mehr ins Detail.

Das “anabole Zeitfenster” nach dem Training

Über Jahre war der Heilige Gral der Nährstofftiming Forschung etwas, das wir als das “anabole Zeitfenster” nach dem Training bezeichnen. Die grundlegende Idee ist, dass unser Körper nach dem Training – und vor allem während der ersten 30 bis 45 Minuten – besonders gierig nach Nährstoffen ist.

In der Theorie verwandelt Bewegung unseren Körper in ein Nährstoffe verarbeitendes Kraftwerk. Während dieser Zeit saugen unsere Muskeln Glukose hungrig auf, um diese entweder als Energielieferant zu oxidieren oder in Form von Glykogen (anstelle von Fett) zu speichern. Zusätzlich fährt Proteinkonsum nach dem Training die Proteinsynthese hoch. Tatsächlich konnte eine Studie zeigen, dass länger als 45 Minuten nach dem Training auf die erste Mahlzeit zu warten, die Vorzüge des Trainings signifikant reduzieren kann.

„Beeile Dich, das anabole Fenster schließt sich!“

Mit diesen physiologischen Details in den Köpfen der Menschen wurde es zu einem Dogma, dass wir in der Minute in der unser Training endet, einen Drink aus schnell verdaulichem Protein und Kohlenhydraten konsumieren MÜSSEN. Oder vielleicht auch direkt vor dem Training. Zur Sicherheit eventuell auch noch während des Trainings. Es schien so, als ob es umso besser wäre, je schneller wir diese Nährstoffe in unseren Körper bekommen könnten.

Daraufhin sind viele Sportler, nachdem die letzte Kurzhantel wieder den Boden berührt hat, regelrecht in Panik verfallen und haben mit zitternden Fingern ihre Sportgetränkebehälter geöffnet. Schließlich musste man auf den magischen „Proteinsynthese Zug“ aufzuspringen!

Los, schnell, das anabole Fenster schließt sich!

Das einzige Problem hierbei: Die wissenschaftlichen Untersuchungen, die diese Idee unterstützen, waren kurzfristiger Natur. Und nur weil wir kurzfristig (wie z.B. während der nächsten halben Stunde) positive Auswirkungen sehen, bedeutet das nicht, dass diese Wirkungen zu langfristigen Resultaten (wie z.B. in drei Monaten) beitragen werden.

In der Tat deuten Langzeitstudien darauf hin, dass das „anabole Zeitfenster“ nach dem Training in Wirklichkeit sehr viel größer ist, als wir früher geglaubt haben.

Entspanne Dich, Du hast noch Zeit!

Natürlich ist es immer noch Weise, Dein Training mit Protein und Kohlenhydraten einzurahmen. Trotzdem hast Du wahrscheinlich eine oder zwei Stunden auf beiden Seiten Deines Trainings, um von diesen Vorzügen zu profitieren. Noch interessanter ist, dass es für die meisten Menschen keine Rolle zu scheinen spielt, wie schnell sie die Dinge verdauen.

Stelle Dir also Folgendes vor:

Du kannst nach Deiner Trainingseinheit also in Ruhe nach Hause fahren, duschen, eine köstliche Mahlzeit aus vollwertigen Nahrungsmitteln zubereiten und diese anschließend genießen. Denn tatsächlich haben aktuelle Studien gezeigt, dass die Gesamtmenge an Protein und Kohlenhydrate, die Du im Lauf des Tages isst, wichtiger für Körperkomposition ist. Nährstofftimingstrategien sind dagegen erst einmal zweitrangig.

Verstehe mich nicht falsch, wir sind mit der Trainingernährung noch nicht fertig. Wir sind einfach nur offener für die Idee, dass es mehrere Wege gibt, für Leistungsfähigkeit und Körperkomposition zu essen. Mit anderen Worten ausgedrückt gibt es keinen einzigen, unveränderlichen, tue-es-auf-diese-Art-und-Weise-sonst-bist-Du-im-A…. Ansatz. Aber wann gibt es jemals so etwas?

Im nächsten Teil wollen wir etwas näher auf die Sache mit dem Frühstück als „wichtigste Mahlzeit des Tages“ eingehen. Seid gespannt!

Quelle:http://www.precisionnutrition.com/nutrient-timing

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