Im ersten Teil unserer „Einfach nur übertrieben“-Serie haben wir über den Sinn und Unsinn von Gewichtheberschuhen berichtet. Wohl kein Equipment im Krafttraining wird so „missbraucht“ wie der Gewichthebergürtel. So polarisierend die Themen „Rumpfstabilität“ und „Rückenschmerzen“ sein mögen, gibt es wohl kein „Tool“, bei dem sich folgende, äußerst umstrittene Frage stellt:
„Wird durch die Benutzung eines Gewichthebergürtels der Rumpf geschwächt?“
Die Wahrheit liegt meistens irgendwo „dazwischen“. Und in diesem Fall ist es von Person zu Person unterschiedlich und hängt von den individuellen „Gegebenheiten“ ab.
Wann sollte ein Gewichthebergürtel zum Einsatz kommen?
Die Leute wollen immer eine bestimmte „Nummer“ hören, ab der ein Gewichthebergürtel „unbedingt“ verwendet werden sollte: „Sollte ich einen Gürtel verwenden, sobald ich jenseits der 180kg Kreuzheben mache?“ oder „Sollte ich jedes Mal einen umschnallen, wenn ich mit 90% von meinem Maximalgewicht trainiere?“
Allerdings bringt jeder Trainierende individuelle Vorraussetzungen wie Körpertyp, Trainingsziele, Trainingserfahrung und Verletzungshistorie mit. Folglich gibt es keine strikten „Vorschriften“ für die Verwendung eines Gewichthebergürtels bei den Kniebeugen und dem Kreuzheben. Der beste Indikator ist eine Kombination aus Trainingserfahrungen bei den komplexen Übungen und der Fähigkeit ein hartes und stabiles „Korsett“ mit Hilfe Deiner Schultern, Hüften und Rumpfmuskeln zu bilden.
Ambitioniertes Krafttraining – bestehend aus periodisiertem Langhantel-Trainings über mindestens zwei Jahre lang – stellt die Trainingserfahrung dar, ab der Trainierende möglicherweise damit beginnen können, einen Gürtel in ihr Training mit einzubauen. Wenn das jetzt für Dich zu langwierig klingen mag, dann trainierst Du noch nicht lange genug. Es dauert Jahre, oft Jahrzehnte, um bei den schweren Verbundsübungen eine vernünftige Atemtechnik zu beherrschen. Dabei handelt es sich um einen niemals endenden Prozess. Allerdings führt das „automatisch“ zum nächsten Kriterium für ein erfolgreiches Training mit Gewichthebergürtel: dem „Bracen“.
Einfach nur übertrieben – brauchst Du wirklich GEWICHTHEBERSCHUHE?
„Bracen“ für den Trainingserfolg mit Gewichthebergürtel absolut entscheidend
Unter „Bracen“ versteht man im Grunde genommen das Erzeugen eines maximalen Drehmoments im Bereich der Kugelartigen Gelenke der Hüften und Schultern in Verbindung mit einer 360 Grad-umfassenden, aktiven Expansion im Oberkörper, Rumpf und Brustkorb. Das ist absolute Grundvorraussetzung für ein Training mit Gürtel.
Trainierende, die das „Bracen“ nicht beherrschen, tun sich mit einem Gürtel oft mehr „Schlechtes als Rechtes“ an. Genauso wenig wie wir kein Extragewicht bei einer nicht korrekten Bewegungs-/Übungsausführung verwenden sollten, sollte auch kein Gewichthebergürtel bei schlechter/nicht vorhandener „Bracing“-Technik zum Einsatz kommen.
Wenn Du allerdings das „Bracen“ beherrscht und einen Gewichthebergürtel für Dein Training in Erwägung ziehst, stellt sich als nächstes die Frage, wann dieser für den größtmöglichen Nutzen benutzen solltest.
Ein Großteil der Athleten und sportlich ambitionierten Trainerenden verzeichnen die größten Benefits eine Gürtels bei ihren Arbeitssätzen (nicht den Aufwärmsätzen) bei den Kniebeugen und Kreuzhebe-Variationen. Wenn Du also im oberen Bereich Deiner Maximalgewichte trainierst, dann benutze einen Gürtel, um Deine Performance zu unterstützen .
Wann sollte ein Gürtel NICHT benutzt werden?
Viele Trainierende haben absolut keine Ahnung, wozu der Gürtel überhaupt gut ist. Wie bei so vielem ist es nur ein weiterer Trend, den sich viele Leute umschnallen bevor sie sich ihren unteren Rücken kaputt machen.
Wenn Du ein Anfänger bist oder Probleme im unteren Rücken hast, dann lerne als erstes, wie das „Bracen“ richtig funktioniert, Du Dich richtig stabilisiert und in der Körpermitte Spannung halten kannst. Genau diese fehlende „Grundspannung“ in Rumpfbereich könnte einer der Gründe für Deinen kaputten Rücken sein – selbst wenn Du einen Gürtel trägst. Ein Gewichthebergürtel ist nur etwas für fortgeschrittene Athleten, die ihn sich „verdient“ haben.
Des Weiteren sollte der Gürtel vor dem Training nicht schon in der Umkleide umgeschnallt und erst wieder nach dem letzten Satz abgelegt werden. Und erst recht nicht, sollte „er“ bei Dir den Eindruck vermitteln, dass Du dadurch vor Verletzungen gefeit bist. Ein 6mm dickes Stück Leder macht keine schlechte Bewegungsausführung wett und erst recht nicht wurde dieses dafür entwickelt.
Selbst für Fortgeschrittene gibt es gewisse Übungen, bei denen besser ohne Gürtel trainiert werden sollte. Ganz besonders bei rumpfstabilisierenden Übungen, wie z.B. dem Yoke Carry. Das Gleiche gilt für Übungen für den Oberkörper wie Drücken und Ziehen und unilaterale Übungen für den Unterkörper wie Ausfallschritte oder Bulgarische Kniebeugen. Und erste recht beim Arm- oder Cardiotraining.
Je weniger Du Dich von einem Gewichthebergürtel abhängig machst, desto besser wird Deine funktionale Ganzkörperspannung bei allen Übungen. Und für alle Powerlifter und Strongmen gilt: je stärker ihr ohne Hilfsmittel seid, desto mehr Kraft habt ihr mit „ihnen“.