Leucin – der anabole „Aktivator“

Layne Norton, besser bekannt als „BioLayne“, ist in der Fitnessszene für sein außerordentliches Wissen im Bezug auf Training und Ernährung bekannt. Ein Thema, das den Wissenschaftler immer wieder beschäftigt, ist die Rolle der Aminosäure Leucin beim Muskelaufbau. Deshalb hat er sich intensiv mit dieser Thematik beschäftigt. Dabei hat man herausgefunden, dass Sportler nach dem Training Nahrungsprotein und insbesondere die Aminosäure Leucin konsumieren sollten, um eine positive Stickstoffbilanz zu erreichen.

Der Begriff Proteinsynthese ist ein Wort, das Du häufig sehen wirst, wenn Du Artikel liest, die sich mit dem Aufbau von Muskeln beschäftigen. Aber was versteht man eigentlich unter diesem Begriff? Einfach ausgedrückt handelt es sich um die Synthese von neuem Skelettmuskelprotein.

Wenn dies in großem Umfang stattfindet, wird das auch als Hypertrophie der Skelettmuskulatur (Wachstum) bezeichnet. Es handelt sich hierbei also um den Prozess, durch den Deine Muskeln größer werden. Dieser Artikel wird sich darauf konzentrieren, wie über die Nahrung zugeführte Aminosäuren und insbesondere Leucin die Skelettmuskelproteinsynthese nach dem Training regulieren.

Hypertrophie vs. Hyperplasie

Der Begriff Hypertrophie bezieht sich auf eine Vergrößerung der Muskeln aufgrund einer Vergrößerung der Zellen. Dagegen bezeichnet man eine Zunahme an Zellen durch den Prozess der Zellteilung als Hyperplasie. Hypertrophie kann man am häufigsten bei Muskeln beobachtet, die aktiv stimuliert wurden und die bekannteste Art dieser Stimulation ist körperliches Training.

Hintergrund

Unterschiedliche Formen des Trainings beeinflussen den Proteinumsatz auf unterschiedlichen Wegen. Ausdauertraining beeinflusst den Proteinumsatz durch eine Reduzierung der Rate der Skelettmuskelproteinsynthese. Gleichzeitig erhöht sich die Rate des Proteinabbaus (Muskelabbau). (1)

Krafttraining ist im Vergleich zu anderen Formen des Trainings einzigartig. Immerhin erhöht es die Skelettmuskelproteinsyntheserate, während es gleichzeitig auch die Rate des Proteinabbaus in der Skelettmuskulatur erhöht. Das Gesamtergebnis ist in beiden Fällen eine negative Netto Stickstoffbilanz (allgemeiner Proteinabbau). (2)

Kurzfristig gesehen resultiert Training deshalb in einem katabolen Zustand. Auf längere Sicht gesehen wird Training jedoch mit einer Aufrechterhaltung der Muskelmasse oder einer Zunahme an Muskelmasse in Verbindung gebracht.

Was bedeutet der Begriff katabol?

Der Begriff katabol bezieht sich auf den Stoffwechselprozess, der durch einen molekularen Abbau und eine Freisetzung von Energie gekennzeichnet ist. Ein Beispiel hierfür wäre ein Abbau von Muskelmasse. Im Bodybuilding-Kontext steht katabol in der Regel für einen Verlust an Muskelmasse.

Leucin

Forschungen haben gezeigt, dass man für eine positive Stickstoffbilanz nach dem Training Nahrungsprotein und insbesondere die Aminosäure Leucin konsumieren muss. Ansonsten bleibt die Stickstoffbilanz nach dem Training so lange negativ, bis man dieses Protein konsumiert. (3, 4)

Leucin ist eine der drei verzweigtkettigen Aminosäuren (BCAAs). Allerdings ist sie bezüglich ihrer Fähigkeit die Skelettmuskelproteinsynthese anzuregen einzigartig. Leucin besitzt einen um den Faktor 10 stärkeren Einfluss auf die Proteinsynthese, als jede andere Aminosäure!

Doch wie regt Leucin die Skelettmuskelproteinsynthese an? Nun, als erstes müssen wir mehr über den Pfadweg wissen, den Leucin aktiviert. Man hat herausgefunden, dass Leucin einen wichtigen Komplex im Rahmen des anabolen Pfadwegs aktiviert. Dieser bezeichnet man als als „Mammalian Target of Rapamycin“ (mTOR). (5) Du kannst Dir mTOR als den Aminosäuresensor der Zelle vorstellen. mTOR reagiert empfindlich auf die Leucin Konzentrationen.

Für was steht “mTOR”?

„mTOR“ steht für „Mammalian Target of Rapamycin“, welches einen der primären Proteinsynthese Regulatoren, einen Energiesensor und einen Nährstoffsensor für die Verfügbarkeit von Aminosäuren – insbesondere Leucin – darstellt. mTOR wird aktiviert, wenn die ATP Spiegel hoch sind. Im Gegensatz dazu wird mTor blockiert, wenn die ATP Spiegel reduziert sind. Eine mTOR Aktivierung ist für eine Hypertrophie der Skelettmuskeln essentiell.

Sinkende Leucin Konzentrationen signalisieren mTOR, dass nicht genügend Nahrungsprotein für die Synthese von neuem Skelettmuskelprotein verfügbar ist. Als Konsequenz wird mTOR dann deaktiviert. Wenn die Leucin Konzentrationen steigen, signalisiert dies mTOR, dass ausreichend Nahrungsprotein für den Aufbau neuen Skelettmuskelproteins vorhanden ist und mTOR wird aktiviert.

Die mTOR Aktivierung

Auch wenn sich die Wissenschaftler noch nicht genau sicher darüber sind, wie Leucin mTOR aktiviert, haben Studien gezeigt, dass mTOR empfindlich auf die Konzentration der Aminosäure und die ATP Spiegel reagiert. Dabei können auch sinkende ATP Spiegel die Aktivierung von mTOR reduzieren. (6, 7)

Eine Aktivierung von mTOR bringen Experten mit einer gesteigerten Proteinsyntheserate in Verbindung. mTOR erhöht die Proteinsynthese über zwei unterschiedliche Mechanismen (8):

Mechanismus 1

mTOR phosphoryliert ein bindendes Protein namens 4E-BP1 und deaktiviert dieses hierdurch. Wenn 4E-BP1 aktiv ist, bindet es ein Protein namens eIF4E (ein initiierender Faktor), und verhindert, dass dieses mit einem weiteren Protein namens eIF4G eine Bindung eingeht und den eIF4E*eIF4G Komplex bildet.

Die Bildung dieses Komplexes ist für den Ablauf des Prozesses der Proteinsynthese von entscheidender Bedeutung.

Kurz gesagt erlaubt mTOR also ein Fortschreiten des Proteinsyntheseprozesses durch eine Deaktivierung von 4E-BP1. Gleichzeitig entsteht der eIF4E*eIF4G Komplex, welcher für den Ablauf der Proteinsynthese von entscheidender Bedeutung ist.

Layne Norton könnte an dieser Steller sicher noch tiefer ins Detail gehen, allerdings würden wir dann sicherlich die Aufmerksamkeit der meisten Leser verlieren. Zudem reicht der augenblickliche Stand der Erklärung völlig aus, um den Pfadweg zu verstehen.

Mechanismus 2

mTOR aktiviert ein Protein namens „ribosomales Protein S6“ (alias rpS6 oder p70 S6). rpS6 steigert die Synthese von Komponenten des Proteinsynthese Pfadweges. mTOR erhöht also nicht nur die Proteinsyntheserate, sondern steigert auch die Kapazität für die Proteinsynthese.

Ein Beispiel zum Verständnis

Eine Analogie, die dabei helfen könnte, dies besser zu verstehen, wäre der Bau eines neuen Wolkenkratzers. Die Baufirma ist mTOR, der Wolkenkratzer ist das Protein, das Du versuchst zu synthetisieren. Die Maschinen (Bulldozer, Kräne, usw.), die für den Bau des Gebäudes verwendet werden, sind die Komponenten des Pfadweges der Proteinsynthese. Dabei ist Leucin das Geld, das für die Durchführung des Projekts benötigt wird.

Wenn genügend Geld verfügbar ist (eine erhöhte Leucin Konzentration), kann die Baufirma nicht nur damit beginnen, den Wolkenkratzer zu bauen (die Synthese von Muskelprotein), sondern kann auch mehr Maschinen kaufen (Erhöhung der Menge an Komponenten der Proteinsynthese), um die Kapazität und die Geschwindigkeit zu steigern, mit der sie den Wolkenkratzer baut (das Muskelprotein, das synthetisiert wird).

Leucin erhöht die Proteinsyntheserate auch über eine Erhöhung der Verfügbarkeit von eIF4G für den eIF4E*eIF4G Komplex, indem es die Phosphorylierung von eIF4G steigert. (9)

Was bedeutet all dies in der Praxis?

Nachdem wir jetzt die trockene Wissenschaft aus dem Weg geschafft haben, stellt sich die Frage, was uns all dies sagt? Ist es nützlich mit zusätzlichem Leucin zu supplementieren? Oder bekommen wir über eine proteinreiche Ernährung ausreichend Leucin? Es gibt einige Hinweise darauf, dass supplementiertes Leucin selbst dann von Vorteil sein könnte, wenn man reichlich Protein konsumiert.

Vor kurzem haben Wissenschaftler ein Experiment durchgeführt, in dessen Rahmen Probanden für 45 Minuten mit Gewichten trainierten und danach entweder Kohlenhydrate alleine, Kohlenhydrate plus Eiweiß (etwa 30 Gramm) oder Kohlenhydrate plus Eiweiß und Leucin konsumierten.

Die Wissenschaftler fanden heraus, dass das Kohlenhydrate/Eiweiß/Leucin Supplement den Proteinabbau stärker reduzierte und die Muskelproteinsynthese sehr viel stärker als das Kohlenhydrat Supplement alleine erhöhte. (10)

Eine mögliche Erklärung für diese Resultate könnte etwas mit der rapiden Erhöhung der Plasma-Leucin-Konzentration zu tun haben, die man mit Hilfe von freiem Leucin erreicht. Bei vollwertigem Protein dauert es deutlich länger, bis es vom Magen in den Dünndarm gelangt und schließlich im Blutkreislauf ankommt. Somit steigen die Plasma-Leucin-Spiegel langsam und erreichen früher ein Plateau.

Selbst bei schnellverdaulichem Protein wie Wheyprotein kann es Stunden dauern, bis die Aminosäure aus dem Protein freigesetzt wird und in den Blutkreislauf gelangt. Dementsprechend erreicht die Leucin-Plasma-Konzentrationen niemals den Maximalwert, den man durch die Verwendung von freiem Leucin erreicht.

Ein isoliertes Leucin Supplement wird hingegen sehr viel schneller in den Blutkreislauf gelangen. Dadurch erhöht sich der Plasma-Leucin-Spiegel drastisch. Das Ergebnis ist somit auch eine deutlich höhere intrazelluläre Konzentration der Aminosäure und eine Aktivierung der zuvor erwähnten anabolen Pfadwege.

Fazit

Zusammenfassend ist es klar, dass Leucin die Proteinsyntheserate über eine Erhöhung der Aktivität von mTOR und die Phosphorylierung von eIF4G steigert. Die Aminosäure besitzt eine weitaus größere stimulierende Wirkung auf die Proteinsynthese, als jede andere Aminosäure. Demzufolge hat man herausgefunden, dass die Proteinsyntheserate in Reaktion auf eine relativ geringe Menge Leucin ähnlich wie in Reaktion auf eine vollwertige Mahlzeit steigt. Experimente haben außerdem gezeigt, dass die Zugabe von Leucin zu einer proteinreichen Mahlzeit die Rate der Skelettmuskelproteinsynthese weiter erhöht.

Allerdings sind sich die Forscher noch nicht einig darüber, ob es für Sportler und Bodybuilder von Vorteil ist, zusätzlich zu einer proteinreichen Ernährung supplementiertes Leucin zu verwenden, um die Muskelmasse langfristig weiter zu erhöhen.

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