In unserem finalen Teil der Serie „die Schattenseite anaboler Steroide“ wollen wir euch über weitere wichtige Nebeneffekte von Anabolika Konsum aufklären. Jeder, der mit dem Gedanken spielt beim Kraftsport nachzuhelfen, sollte sich die vier Artikel zu diesem Thema unbedingt durchlesen!
Veränderungen der Stimme
Androgene sind bei Männern während der Pubertät für das Einsetzen des Stimmbruchs und die Entwicklung einer tieferen Stimme verantwortlich und besitzen einen direkten Einfluss auf die Stimmbänder und den Kehlkopf, welche für den Klang der Stimme verantwortlich sind. Bei Frauen bleibt ein Stimmbruch während der Pubertät nur deshalb aus, weil sie nicht über ausreichend hohe Androgenspiegel verfügen.
Wenn Frauen anabole Steroide verwenden, kann dies durch die Auswirkung der Steroide auf Kehlkopf und Stimmbänder zu einer Vertiefung der Stimme führen. Erste Anzeichen hierfür sind eine etwas tiefere Stimmlage, ein Kratzen der Stimme und eine Reduzierung der höheren Frequenzen der Stimme. Im Lauf der Zeit wird die Stimme wie während des Stimmbruchs bei pubertierenden Jungen immer tiefer, bis sie deutliche männliche Charakteristika aufweist.
Anabole Steroide mit einer stärker ausgeprägten Androgenwirkung wie Testosteron weisen ein besonders hohes Potential für eine Vertiefung der Stimme bei Frauen auf. Doch selbst bei der Anwendung anaboler Steroide mit nur sehr geringer Androgenwirkung wie Oxandrolon (Anavar) in niedrigen therapeutischen Dosierungen konnte man im medizinischen Bereich bei einigen Frauen eine deutliche Veränderung der Stimme feststellen.
Diese Veränderungen der Stimme sind auch nach dem Absetzen anaboler Steroide zum größten Teil irreversibel. Genau deshalb sollten Frauen, die anabole Steroide missbrauchen, diese bei den ersten Anzeichen einer veränderten Stimmlage sofort absetzen.
Auch wenn eine Vertiefung der Stimme durch anabole Steroide primär Frauen betrifft, kann diese auch bei Jugendlichen, die sich noch in der Pubertät befinden und anabole Steroide verwende, auftreten. Bei Erwachsenen männlichen Steroidanwendern kann nur in einigen wenigen Fällen eine Vertiefung der Stimme beobachtet werden, die jedoch fast immer relativ geringfügig ausfällt.
Störungen des Menstrualzyklus
Bei Frauen, die anabole Steroide missbrauchen, kann es aufgrund der hormonellen Veränderungen zu Störungen des Menstrualzyklus kommen. Dies äußert sich in der Regel durch unregelmäßige oder völlig ausbleibende Menstrualblutungen. Gleichzeitig kann dann auch die Fruchtbarkeit beeinträchtigt sein. Diese Störungen des Zyklus sind nach dem Absetzen reversibel. Allerdings kann es bis zu mehreren Monaten dauern, bis das weibliche Hormongleichgewicht und ein normaler Menstrualzyklus wiederhergestellt sind.
Klitorisvergrößerung
Da die Entwicklung der weiblichen Sexualorgane sowohl durch Östrogen als auch durch die geringen im weiblichen Körper vorhandenen Mengen an Testosteron gesteuert wird und das weibliche reproduktive System auch im Erwachsenenalter weiter dazu in der Lage ist, auf den Einfluss von Androgenen zu reagieren, kann der Missbrauch anaboler Steroide bei Frauen zu Veränderungen im Bereich der Geschlechtsorgane führen.
Ein Bereich, in dem solche Veränderungen am deutlichsten sichtbar werden können, ist die weibliche Klitoris. Diese kann unter dem Einfluss von Testosteron und anderen Androgenen wachsen. Dies kann so weit gehen, dass die Klitoris an einen kleinen Penis zu erinnern beginnt und während sexueller Erregung deutlich anschwillt.
Eine Vergrößerung der Klitoris ist sowohl von der Dosierung als auch dem Grad der Androgenwirkung der verwendeten Steroide abhängig. Stark androgen wirkende Steroide wie Testosteron weisen somit ein höheres Risiko für eine Klitorisvergrößerung als primär anabole Steroide wie Stanozolol (Winstrol) oder Oxandrolon (Anavar) auf, die keine ausgeprägte Androgenwirkung besitzen. Ein Wachstum der Klitoris ist progressiv, was bedeutet, dass die Klitoris bei jeder folgenden Anwendung anaboler Steroide weiter wachsen kann.
Eine Vergrößerung der Klitoris ist auch nach dem Absetzen nicht reversibel. Deshalb sollten Frauen bei den ersten Anzeichen einer Klitorisvergrößerung dringend aufhören die Steroide einzunehmen. Eine einmal vergrößerte Klitoris kann nur durch einen plastischen chirurgischen Eingriff ihr normales Aussehen wiedererlangen.
Reduzierte Größe und Veränderung der Form der weiblichen Brust
Der Missbrauch anaboler Steroide kann bei Frauen zu einer Reduzierung des Volumens des Gewebes der Brustdrüsen und zu einer Zunahme des fibrösen Bindegewebes führen. Dies kann je nach Ausprägung eine Verkleinerung der Brust und einer Veränderung des optischen Erscheinungsbildes der Brust zur Folge haben. Hierbei gilt, dass Steroide, die eine stark ausgeprägte Androgenwirkung aufweisen, ein höheres Potential für solche Veränderungen als Steroide mit nur schwach ausgeprägter Androgenwirkung besitzen. Weiterhin spielen auch die Höhe der Dosierung und die Anwendungsdauer eine Rolle.
Durch Steroide hervorgerufene Veränderungen der weiblichen Brust können auch nach dem Absetzen der Steroide lange bestehen bleiben, wenn es während der Steroidanwendung zu einer starken Veränderung des Gewebes gekommen ist.
Nierenschäden
Die wissenschaftliche Datenlage bezüglich einer möglichen Nierenschädigung durch den Missbrauch anaboler Steroide ist nicht eindeutig und zum jetzigen Zeitpunkt gibt es keine eindeutigen Hinweise darauf, dass der Missbrauch anaboler Steroide Nierenschäden direkt hervorrufen kann. Es gibt zwar einige Fallstudien, die von der Entwicklung eines bei Erwachsenen sehr selten auftretenden Nierentumors, der als „Wims Tumor“ bekannt ist, bei Steroidanwendern berichten und diese Entwicklung mit dem Missbrauch anaboler Steroide in Verbindung bringen. Doch es gibt bisher keinen wirklichen Beweis für einen kausalen Zusammenhang.
Es ist nicht ausgeschlossen, dass anabole Steroide durch eine gewisse Belastung der Nieren bestehende Nierenprobleme verschlimmern oder die Entwicklung von Nierenproblemen begünstigen könnten.
Leberschädigung
Anabole Steroide können eine deutliche Belastung für die Leber darstellen. Dies gilt primär für alpha-17-alkylierte orale Steroide. Doch auch nicht alpha-17-alkylierte Steroide können die Leber in gewissem Umfang belasten, wenn auch in der Regel nicht bis zu dem Grad, wie dies bei alpha-17-alkylierten Steroiden der Fall ist. Der Grad der Leberbelastung kann von Steroid zu Steroid deutlich variieren und selbst bei den im Allgemeinen deutlich leberschädlicheren alpha-17-alkylierten Steroiden gibt es große Unterschiede bezüglich des Grades der Leberbelastung, die von ihnen ausgeht.
Alpha-17-alkylierte Steroide können je nach Steroid, Dosierung und Anwendungsdauer moderate bis schwere Leberschäden hervorrufen. Nicht alpha-17-alkylierte Steroide bringt man dagegen meist nur mit einer leichten bis moderaten Leberbelastung in Verbindung.
Durch eine alpha-17-Alkylierung werden Steroide gegenüber einem Abbau durch die Leber geschützt, da sie aufgrund ihrer Struktur nicht durch das Leberenzym 17-beta Hydroxysteroid Dehydrogenase abgebaut werden können, welches primär für die Verstoffwechslung von Steroiden in der Leber verantwortlich ist. Dies ist notwendig, da oral zugeführte Steroide im Gegensatz zu injizierten Steroiden zunächst die Leber passieren müssen, bevor sie in den Blutkreislauf gelangen können. Ohne eine solche Alkylierung würde der größte Teil des oral zugeführten Steroids von der Leber abgebaut, bevor es überhaupt eine Wirkung im Körper entfalten kann.
Man vermutet, dass die von Steroiden ausgehende Leberbelastung darauf beruht, dass diese an die Androgenrezeptoren in der Leber andocken und dort eine Wirkung entfalten können. Da alpha-17-alkylierte Steroide in der Leber nur schwer abgebaut werden, können diese Steroide in größere Umfang an die Androgenrezeptoren der Leber andocken, als die bei nicht alpha-17-alkylierten Steroiden der Fall ist, welche in der Leber abgebaut werden und deshalb dort nur in geringerem Umfang mit den Androgenrezeptoren interagieren können. Bei alpha-17-alkylierten Steroiden kommt zusätzlich hinzu, dass diese nach der Einnahme die Leber passieren müssen, bevor sie in den Blutkreislauf gelangen können, wodurch es zu einer sehr viel höheren Steroidkonzentration in der Leber als bei injizierbaren Steroiden kommt, welche nur nach und nach über den Blutkreislauf in die Leber gelangen und dort abgebaut werden.
Der Grad der Leberbelastung durch anabole Steroide kann durch die folgenden drei Stufen beschrieben werden, wobei diese in der Regel aufeinander folgen, wenn größere Mengen die Leber belastende anaboler Steroide über einen längeren Zeitraum zum Einsatz kommen:
#1 Erhöhte Leberenzymwerte
Die ersten Anzeichen für eine verstärkte Leberbelastung durch anabole Steroide, sind erhöhte Leberenzymwerte. Da eine Leberlelastung im Anfangsstadium nicht von spürbaren oder sichtbaren Symptomen begleitet wird, ist eine Blutuntersuchung der einzige Weg, diese festzustellen. Aus diesem Grund ist es empfehlenswert während der Anwendung anaboler Steroide regelmäßig die Leberwerte im Rahmen einer Blutuntersuchung durch einen Arzt kontrollieren zu lassen, da eine nicht entdeckte verstärkte Leberbeslastung schwerere Leberschäden zur Folge haben kann. Die folgenden Blutwerte sind hierbei von besonderem Interesse, da sie auf eine verstärkte Belastung der Leber hindeuten können:
- Alaninaminotransferase, ALT (früher GPT)
- Aspartat-Aminotransferase, AST (früher GOT)
- Serum-Glutamat-Oxalacaetat-Transaminase, SGOT
- Serum-Glutamat-Pyruvat-Transaminase, SGPT
- Gamma GT, GGT
- Alkalische Phosphatase, ALP (auch als AP bekannt)
#2 Cholestase und Gelbsucht
Wenn eine durch anabole Steroide hervorgerufene erhöhte Leberbelastung nicht entdeckt wird, kann sich eine so genannte Gallenstauung (intrahepatische Cholestase) entwickeln. Dies ist eine Störung der Gallenausscheidung aus den Leberzellen, die in Ansammlung von Gallensalzen und Bilirubin in der Leber resultiert. Symptome für eine Cholestase umfassen Magenkrämpfe, eine gestörte Fettverdauung, Übelkeit, eine Verfärbung des Stuhls und eine dunkle Verfärbung des Urins. Es kann aufgrund der gestörten Bilirubinausscheidung außerdem zu einer so genannten Gelbsucht (Ikterus) kommen, die durch eine Gelbfärbung der Haut, der Schleimhäute und der Bindehaut des Auges gekennzeichnet wird. Begleitend zu einer Cholestase kann es weiterhin zu einer Entzündung der Leber und einem Absterben von Lebergewebe kommen.
Eine Cholestase ist nach dem Absetzen anaboler Steroide in der Regel auch ohne medikamentöse Behandlung reversibel, wobei es je nach Schweregrad der Erkrankung von einigen Wochen bis hin zu einigen Monaten dauern kann, bis die normale Leberfunktion und normale Spiegel der Leberenzyme wiederhergestellt sind.
#3 Ernsthafte, potentiell tödliche Lebererkrankungen
Eine unbehandelte Cholestase kann zu einer Leberzirrhose führen, die durch Vernarbung des Lebergewebes, einer Verhärtung und Schrumpfung der Leber, sowie eine eingeschränkte Leberfunktion charakterisiert wird. Erste Symptome für eine Leberzirrhose sind Müdigkeit und ein Druckgefühl im rechten Oberbauch. Eine Leberzirrhose kann im fortgeschrittenen Stadium zu einem Leberversagen und zu Leberkrebs führen. Weitere mögliche ernsthafte Komplikationen umfassen eine Peliosis Hepatis (blutgefüllte Zysten in der Leber) sowie Bluthochdruck in der Lebervene (portale Hypertension) mit erhöhtem Blutungsrisiko.
Auch wenn diese ernsthaften Lebererkrankungen bei Steroidanwendern relativ selten auftreten, gibt es in der medizinischen Fachliteratur eine ganze Reihe von Fallberichten, die ein Auftreten dieser Erkrankungen mit dem Missbrauch anaboler Steroide in Verbindung bringen.
Abhängigkeit
Bezüglich der Frage, ob anabole Steroide abhängig machen können, gibt es unterschiedliche Ansichten. Da Anwender anaboler Steroide während der Steroidanwendung von einem verbesserten allgemeinen Wohlbefinden sowie gesteigerter Selbstsicherheit berichten und sich außerdem davor scheuen anabole Steroide wieder abzusetzen. Schließlich haben sie meist Angst davor, die mit Hilfe der anabolen Steroide erzielten Kraft- und Muskelzuwächse wieder zu verlieren. Dementsprechend könnte man hier von einer psychischen Abhängigkeit sprechen.
Hierfür spricht auch, dass viele Steroidanwender trotz dem Auftreten spürbarer und teilweiser gravierender Nebenwirkungen mit der Anwendung anaboler Steroide fortfahren und dass es nach dem Absetzen von Steroiden zu Depressionen kommen kann.
Aus wissenschaftlicher Sicht spricht für eine mögliche Abhängigkeit die Tatsache, dass anabole Steroide genau wie Opiate und andere Suchtmittel mit dem mesolimbischen System interagieren und vermutlich einen positiven Einfluss auf das dopaminerge Belohnungssystem besitzen. Streng genommen könnte man sogar Argumente für eine körperliche Abhängigkeit finden. Eine körperliche Abhängigkeit ist als die Notwendigkeit definiert, eine exogene Substanz zuführen, um die normale Funktion des Körpers aufrecht zu erhalten.
Da anabole Steroide die körpereigene Testosteronproduktion unterdrücken, sind nach dem Absetzen der Steroide eine ganze Reihe androgenabhängiger Prozesse im Körper beeinträchtigt und können zumindest bis zur vollständigen Wiederherstellung der körpereigenen Testosteronproduktion nur eingeschränkt ablaufen. Wenn jedoch exogenes Testosteron zugeführt wird, ist die vollständige Funktion des Körpers hingegen nicht beeinträchtigt.
Mögliche Nebenwirkungen nach dem Absetzen anaboler Steroide umfassen unter anderem in Müdigkeit, reduzierter Libido, Depressionen und Schlaflosigkeit. Diese Nebenwirkungen könnte man auch als körperliche oder psychische Entzugserscheinungen ansehen.