Die Liste der Nebenwirkungen anaboler Steroide ist länger, als das dem ein oder anderen bewusst ist. Im ersten Teil dieser Artikel Reihe sind wir bereits auf wichtige Faktoren eingegangen. Doch auch die nächsten beiden Teile sollen aufgreifen, welche Konsequenzen Steroide haben können.
Libido- und Potenzprobleme
Während anabole Steroide im Allgemeinen dafür bekannt sind, dass sie die Libido und den Sexualtrieb fördern, kann in einigen Fällen auch das genaue Gegenteil beobachtet werden. In diesen Fällen kommt es während der Anwendung anaboler Steroide zu einer deutlichen Reduzierung von Libido und Sexualtrieb sowie Erektionsproblemen. Dieses Phänomen kann primär bei anabolen Steroiden beobachtet werden, die nur eine schwach ausgeprägte Androgenwirkung besitzen und einerseits die körpereigene Testosteronproduktion nach einiger Zeit vollständig unterdrücken, während sie andererseits nicht dazu in der Lage sind, den Mangel an körpereigenen Androgenen, welche für eine normale Sexualfunktion notwendig sind, auszugleichen.
Die Gefahr für Potenz- und Libidoprobleme fällt bei Steroiden, die zusätzlich zu einer niedrigen Androgenwirkungen aromatisieren und/oder wie die meisten Mitglieder der Familie der 19-Nor Steroide eine gewisse Progesteronwirkung aufweisen, besonders hoch aus. Schließlich kann man niedrige Androgenspiegel mit hohen Östrogen- und/oder Progesteronspiegeln in Verbindung bringen. Das wird als einer der Hauptgründe für Impotenz angesehen.
Potenzprobleme können jedoch auch nach dem Absetzen anaboler Steroide auftreten. Immerhin unterdrücken Steroide die körpereigene Testosteronproduktion während der Anwendung. Nach dem Absetzen erholt sich der Körper nur langsam. Da gleichzeitig meist keine weiteren Steroide von außen zugeführt werden, kommt es zu niedrigen Androgenspiegeln.
In manchen Fällen kann hier eine „Testosteron Ersatztherapie“ helfen, um die unterdrückte körpereigene Testosteronproduktion auszugleichen und die Androgenspiegel im normalen Bereich zu halten.
Schmerzhafte Dauererektionen
Steroide mit einer stark ausgeprägten Androgenwirkung und insbesondere Testosteron können in einigen Fällen zu schmerzhaften Dauererektionen führen. Zum Teil hält diese über Stunden an. Solche Dauerrektionen können im schlimmsten Fall sogar ärztlicher Behandlung bedürfen, da es sonst zu einer permanenten Schädigung des Penis oder erektiler Dysfunktion kommt. Diese Nebenwirkung tritt primär bei jugendlichen Steroidanwendern auf, deren reproduktives System noch keine höheren Androgenspiegel gewöhnt ist. Bei erwachsenen Steroidanwendern ist das Auftreten schmerzhafter Dauererektion eher unwahrscheinlich.
Unfruchtbarkeit
Anabole Steroide besitzen einen hemmenden Einfluss auf die so genannte Hypophysen-Hypothalamus-Hoden Achse, die für die Regulierung der körpereigenen Testosteronproduktion sowie die Regulierung der Spermienproduktion verantwortlich ist. Diese empfindliche Regelkreislauf kontrolliert die Ausschüttung von LH (Luteinizing Hormon) und FSH (Follicle-Stimulating Hormon), welche die Hoden zur Produktion von Testosteron und Spermien anregen. Grob vereinfacht dargestellt „erkennt“ dieser Regelkreislauf wenn anabole Steroide von außen zugeführt werden schnell, dass die Hormonspiegel oberhalb des natürlichen Bereichs liegen und versucht durch eine Reduzierung der LH und FSH Ausschüttung und der hieraus resultierenden Reduzierung der körpereigenen Testosteronproduktion das natürliche Gleichgewicht wieder herzustellen.
Da FSH und LH jedoch auch für die Spermienproduktion und die Qualität der Spermien verantwortlich sind, hat eine reduzierte FSH und LH Ausschüttung eine reduzierte Spermienproduktion und eine reduzierte Spermienqualität zur Folge. Dementsprechend reduziert der Körper also weniger Spermien und ein größerer Anteil der produzierten Spermien weist Abnormalitäten oder eine reduzierte Beweglichkeit auf. Dies kann so weit gehen, dass man im Ejakulat praktisch keine messbare Spermienkonzentration mehr nachweisen kann. Eine stark reduzierte Spermienzahl bedeutet jedoch nicht unbedingt eine völlige Unfruchtbarkeit, sondern vielmehr eine Reduzierung der Wahrscheinlichkeit der Empfängnis.
Eine durch anabole Steroide hervorgerufene reduzierte Zeugungsfähigkeit oder Unfruchtbarkeit ist nach dem Absetzen der anabolen Steroide in der Regel vollständig reversibel. Je nach Art des verwendeten Steroids, der verwendeten Dosierung und der Länge der Anwendung kann es von mehreren Wochen bis hin zu mehreren Monaten dauern, bis die Spermienproduktion wieder ihren Normalwert erreicht hat.
Eine durch Steroide hervorgerufene Unfruchtbarkeit ist jedoch nicht nur auf Männer beschränkt. Auch bei Frauen können anabole Steroide die Fruchtbarkeit reduzieren oder zu Unfruchtbarkeit führen, wobei auch dieser Zustand nach dem Absetzen der Steroide reversibel ist.
Hodenatrophie
Die exogene Zufuhr anaboler Steroide hemmt die Testosteronproduktion durch einen hemmenden Einfluss auf die so genannte Hypothalamus-Hypophysen-Hoden Achse, welche durch eine Herunterregulierung der LH und FSH Hormon Ausschüttung auf die hohen Spiegel von Sexualhormonen im Körper reagiert. Da LH und FSH die Hoden zur Produktion von Testosteron und Spermien anregen, erfahren die Hoden bei stark reduzierten Spiegeln dieser beiden Hormone keine ausreichende Stimulation mehr. Dadurch kann es zu einer Atrophie (Schrumpfung) der Hoden kommen. In vielen Fällen kann man dies spüren und deutlich sehen. Eine merkliche Atrophie der Hoden tritt primär bei einer längeren Steroidanwendung auf und wird meist erst nach 8 bis 12 Wochen der Anwendung deutlich spürbar.
Eine solche Atrophie ist nach dem Absetzen der exogen zugeführten anabolen Steroide reversibel. Allerdings kann es je nach Länge der Steroidanwendung selbst nach einer vollständigen Wiederherstellung der LH und FSH Ausschüttung bis zu mehrere Monate lang dauern, bis die Hoden wieder ihre ursprüngliche Größe erreichen.
In der Praxis kann man gelegentlich beobachten, dass Steroidanwender während der Anwendung anaboler Steroide phasenweise für zwei Wochen HCG einsetzen. Dadurch kann man das körpereigene LH Hormon nachahmen und die Hoden zur Produktion von Testosteron anregen. Auch wenn eine solche Vorgehensweise erfolgversprechend zu sein scheint, kann eine zu lange oder zu hoch dosierte HCG Anwendung die Hoden gegenüber dem körpereigenen LH Hormon desensibilisieren. Genau das kann die Wiederherstellung der körpereigenen Testosteronproduktion nach dem Absetzen der Steroide zusätzlich beeinträchten.
Prostatavergrößerung
Anabole Steroide besitzen das Potential das Wachstum der Prostata anzuregen. Androgene sind an der Entwicklung und dem Wachstum der Prostata während der Jugend beteiligt und können auch im Erwachsenenalter das Wachstum der Prostata anregen. Neben der Androgenwirkung anaboler Steroide könnte auch eine Umwandlung in Östrogen bzw. eine inhärente Östrogenwirkung anaboler Steroide eine Rolle bei einem verstärkten Wachstum der Prostata spielen. Immerhin fördert die Anregung bestimmter Östrogenrezeptoren in der Prostata eine Erhöhung der Rate der Zellteilung und Entzündungen der Prostata. Interessanterweise wirkt die Anregungen eines anderen Typs von Östrogenrezeptoren in der Prostata genau diesen unerwünschten Wirkungen entgegen.
Obwohl die Höhe der Dosierung neben der Art des verwendeten Steroids eine Rolle bei einer Vergrößerung der Prostata spielt, kann ein verstärktes Wachstum der Prostata selbst bei einigen Patienten beobachtet werden, die relativ niedrige Testosterondosierungen verabreicht bekommen. In einigen Fällen kann auch einer Erhöhung der PSA Werte (Prostata spezifisches Antigen) beobachtet werden, welche als Marker für die Gesundheit der Prostata angesehen werden.
Auch wenn man einen kausalen Zusammenhang mit der Verwendung anaboler Steroide noch nicht endgültig bewiesen hat, gibt es regelmäßig Beichte von Steroidanwendern, die unter einer gutartigen Prostatahyperplasie leiden. Diese stellt eine deutliche Vergrößerung der Prostata dar, die zu Problemen beim Wasserlassen führen kann und normalerweise primär bei älteren Menschen auftritt.
Da erhöhte PSA Werte ein Marker für Erkrankungen der Prostata inklusive Prostatakrebs sind, sollten männliche Anwender anaboler Steroide regelmäßig ihre PSA Werte kontrollieren lassen, um möglichen die Prostata betreffenden Nebenwirkungen so schnell wie möglich entgegen wirken zu können. Dies gilt insbesondere mit zunehmendem Alter, da mit dem Alter das Risiko für Prostataerkrankungen auch ohne den Missbrauch anaboler Steroide steigt.
Prostatakrebs
Die genauen Ursachen für Prostatakrebs sind bis heute nicht vollständig bekannt. Während sich Prostatakrebs nicht ohne die Gegenwart von Androgenen im Körper entwickeln kann, scheinen die exogene Gabe moderater Mengen Testosteron im Rahmen einer Testosteron Ersatztherapie sowie der Missbrauch anaboler Steroide das Risiko für Prostatakrebs nicht zu erhöhen. Man vermutet deshalb, dass Androgene Prostatakrebs nicht auslösen können, sondern lediglich das Fortschreiten dieser Erkrankung begünstigen.
Dies bedeutet jedoch nicht, dass man sich als Steroidanwender keinerlei Gedanken um Prostatakrebs machen muss. Krebstumore in der Prostata verfügen über eigene Androgenrezeptoren und eine Anregung dieser Rezeptoren beschleunigt das Tumorwachstum deutlich. Gleichzeitig hemmt eine vollständige Unterdrückung der Androgenproduktion oder eine Blockade dieser Rezeptoren das Tumorwachstum. Mit anderen Worten ausgedrückt kann der Missbrauch anaboler Steroide bei Menschen, die ein erhöhtes Prostatakrebsrisiko aufweisen, nach dem Einsetzen der Krebserkrankung den Verlauf deutlich beschleunigen. Dadurch kann die Wahrscheinlichkeit für eine rechtzeitige Diagnose und die Heilungschancen deutlich sinken. Es kann deshalb nicht schaden, regelmäßig die PSA Werte kontrollieren zu lassen, zumal diese auch ein Marker für eine gutartige Prostatavergrößerung sein können, welche im Gegensatz zu Krebs wahrscheinlich alleine durch anabole Steroide hervorgerufen werden kann.
Insulinresistenz
Auch wenn die Studienlage widersprüchlich ist, scheint es möglich zu sein, dass der Missbrauch bestimmter anaboler Steroide in bestimmten Szenarien den Glukosestoffwechsel beeinträchtigen und die Insulinresistenz verschlechtern könnte. Die Insulinresistenz steht dafür, wie viel Insulin der Körper in Reaktion auf eine Erhöhung der Blutzuckerspiegel ausschütten muss, um diese wieder auf den normalen Wert zu senken. Je unempfindlicher der Körper auf Insulin reagiert, desto mehr Insulin muss der Körper ausschütten, um den Blutzucker zu senken. Da Insulin jedoch nicht nur Blutzucker in Form von Glykogen in die Glykogenspeicher des Körpers einlagert, sondern auch Fett in die Fettzellen transportiert, können erhöhte Insulinspiegel in einer verstärkten Fetteinlagerung resultieren. In diesem Zusammenhang besteht Gefahr für das aus Sicht der Gesundheit besonders problematische viszerale Fetts im Bauchraum. Darüber hinaus wird eine Insulinresistenz mit Bluthochdruck, Diabetes vom Typ II und Herz-Kreislauferkrankungen in Verbindung gebracht.
Man kann jedoch nicht pauschal sagen, dass der Missbrauch anaboler Steroide die Insulinresistenz verschlechtert. Von Testosteron und Oxandrolon konnte man sogar zeigen, dass sie in moderaten Dosierungen die Insulinresistenz verbessern. Allerdings reduzieren höhere Testosteron Dosierungen die Glukosetoleranz auch wieder. Auf der anderen Seite hat man herausgefunden, dass ein jahrelanger Missbrauch anaboler Steroide die Insulinresistenz stark beeinträchtigen kann. Dies trifft beispielsweise auch auf Methandrostenolon (Dianabol) zu.
Diese widersprüchlichen Daten machen es schwer möglich vorherzusagen, ob eine bestimmte Kombination anaboler Steroide die Insulinresistenz verbessern oder verschlechtern wird. Es liegt jedoch die Vermutung nahe, dass primär eine Langzeitanwendung hoher Dosierungen anaboler Steroide ein Potential für die Entwicklung einer Insulinresistenz besitzt.
Allergische Reaktionen und anaphylaktischer Schock
Auch wenn sich auf vielen injizierbaren Medikamenten standardmäßig eine Warnung vor den potentiellen Gefahren einer allergischen Reaktion befindet, scheint von anabolen Steroiden selbst kein nennenswertes Allergierisiko auszugehen. Dies gilt jedoch nicht unbedingt auch für die öligen Lösungen, in denen die Steroide bei injizierbaren Präparaten gelöst sind. Es gibt einige kommerzielle Testosteronprodukte, bei denen das Testosteron in Erdnussöl gelöst ist und die deshalb eine potentielle Gefahr für Personen, die unter Erdnussallergie leiden, darstellen könnten.
Auch Produkte von so genannten Undergroundlaboratorien könnten unter Umständen ein höheres Allergierisiko aufweisen. Schließlich kann man bei deren Herstellung nicht unbedingt Sterilität garantieren.
Symptome einer allergischen Reaktion können Jucken der Haut und der Augen, Hautrötungen, ein Anschwellen der Schleimhäute in Verbindung mit Atembeschwerden, Übelkeit und ein Absinken des Blutdrucks umfassen. Die extremste Form einer allergischen Reaktion ist ein potentiell lebensbedrohlicher anaphylaktischer Schock, bei dem das Herz-Kreislauf System versagen kann. Anaphylaktische Reaktionen treten meist dann auf, wenn ein Allergie auslösender Wirkstoff injiziert wird und somit große Mengen auf einmal in den Körper gelangen.
Magenbeschwerden
Bei Personen mit empfindlichem Magen können bestimmte orale Steroide wie beispielsweise Oxymetholon Magenbeschwerden hervorrufen. Auch wenn orale Steroide bei der Einnahme auf leeren Magen besser als bei der Einnahme mit einer Mahlzeit wirken, sollten Menschen, die unter solchen Problemen leiden, darüber nachdenken, diese Wirkstoffe mit einer Mahlzeit einzunehmen oder besser ganz auf die entsprechenden Präparate zu verzichten.