Antiöstrogene

Aufgrund ihrer Fähigkeit, das Risiko für die Entwicklung einer Gynäkomastie (abnormales Wachstum des Brustgewebes bei Männern) zu reduzieren und die Wiederherstellung der natürlichen Testosteronproduktion nach einem Steroidzyklus zu beschleunigen, ist die Verwendung von Antiöstrogenen im Bereich des Bodybuildings beliebt geworden. Antiöstrogene können außerdem ein Aufschwemmen, das mit der Verwendung anaboler Steroide in Verbindung steht, reduzieren und dabei helfen Gesundheitsrisiken zu meiden, die mit erhöhten Östrogenspiegeln einhergehen. Im Bereich der Medizin werden diese Medikamente nicht nur zur Behandlung von Brustkrebs, sondern auch zur Förderung der Fruchtbarkeit bei Männern und Frauen, sowie gelegentlich zur Erhöhung der Testosteronspiegel bei Männern mit niedrigen Testosteronspiegeln wie z.B. Ausdauersportlern eingesetzt. Es gibt zwei Kategorien von Antiöstrogenen: Aromatasehemmer und Östrogenrezeptorblocker. Beide sollen in diesem Artikel betrachtet werden.

 

Östrogene

Wie bei Androgenen, wo jedes Hormon, das die Aktivität von Testosteron besitzt, ein Androgen ist und weshalb alle anabolen Steroide Androgene sind, ist jedes Hormon, das die Aktivität von Östradiol, dem primären weiblichen Sexualhormon, besitzt, ein Östrogen. Die beim Menschen aktivsten natürlichen Östrogene sind Ödstradiol und Östron.
Diese Hormone sind auf ähnliche Art und Weise miteinander verwandt, wie die Andro-Prohormone miteinander verwandt sind. Genau wie Androdiol eine Hydroxy (oder –ol) Gruppe an Position 3 und 17 besitzt, hat auch Östradiol an diesen beiden Positionen eine Hydroxylgruppe. Estron hat wie Androstenedione Keto- (oder –one) Gruppen an diesen Positionen.

Östradiol ist das stärkste (Effektivität pro Milligramm) der natürlich vorkommenden Östrogene. Es wird entweder aus Testosteron durch das Aromataseenzym oder aus Östron durch das östrogene 17b-HSD-Enzym hergestellt. Vom Standpunkt des Bodybuilders, der anabole androgene Steroide verwendet, können hohe Östrogenspiegel, wenn nichts gegen sie unternommen wird, eine Gynäkomastie hervorrufen, die natürliche Testosteronproduktion hemmen und ein Aufschwemmen verursachen. Hohe Östrogenspiegel machen es außerdem schwerer Fett zu verlieren und neigen selbst bei Männern dazu, eine weibliche Fettverteilung zu verursachen. Östradiol besitzt außerdem karzinogene Stoffwechselprodukte und ein Leberproblem, das manchmal mit der Verwendung anaboler Steroide in Verbindung gebracht wird – hepatische Cholestase – wird nicht durch Androgene, sondern durch Östrogen-Stoffwechselprodukte verursacht. Es ist nicht ungewöhnlich für Bodybuilder, sich zu Beginn eines Steroidzyklus mit hohen Testosterndosierungen ohne Antiöstrogene schlecht zu fühlen und aus diesem Grund propagieren viele mit einer niedrigen Dosierung zu beginnen und diese langsam zu steigern. Es wird jedoch vermutet, dass das wahre Problem die Auswirkung von Östrogen auf die Stimmungslage ist und dieses Problem kann durch die Verwendung eines Aromatasehemmers vermieden werden.

Aromatisierende Steroide

Auch wenn die meisten Bodybuilder das Gefühl haben zu wissen, welche Steroide aromatisieren und welche nicht, liegen sie dabei manchmal falsch. Dies liegt daran, dass die Progesteronwirkung (Progesteron ist ein weiteres weibliches Hormon) von Steroiden leicht mit einer Östrogenwirkung verwechselt werden kann. Beide Hormone können Wassereinlagerungen und eine Gynäkomastie hervorrufen. Deshalb werden anabole androgene Steroide, die nicht nur dazu in der Lage sind den Androgenrezeptor, sondern auch den Progesteronrezeptor zu aktivieren, häufig fälschlicherweise als aromatisierende Steroide angesehen. (Bemerkung: Diese Androgene werden nicht in Progesteron umgewandelt, sondern sind selbst, ohne das hierfür eine Veränderung notwendig ist, dazu in der Lage, an diesem Rezeptor zu agieren.) Nandrolon ist nachgewiesenermaßen ein Progestin. Diese Tatsache ist für Bodybuilder von Bedeutung, da Deca – auch wenn es bei alleiniger Anwendung die Östrogenspiegel sogar reduzieren kann, weil es die natürlichen Testosteronspiegel reduziert und dem Aromataseenzym somit weniger Substrat lässt, mit dem es arbeiten kann – trotzdem bei einigen Anwendern eine Gynäkomastie hervorrufen kann. Genauso wie Progesteron bei Frauen bis zu einem gewissen Punkt den Sexualtrieb erhöht und diesen reduziert, wenn die Spiegel zu stark ansteigen, können hohe Spiegel von Steroiden mit einer inhärenten Progesteronwirkung den Sexualtrieb bei männlichen Bodybuildern „killen“ – auch wenn es in diesem Bereich große individuelle Unterschiede bezüglich dem, was zu viel ist, gibt.
Nebenbei bemerkt, hemmt diese Progesteronaktivität auch die LH-Produktion und entgegen der allgemein verbreiteten Meinung können selbst geringe Mengen Deca die körpereigene Testosteronproduktion in etwa so stark wie dieselbe Menge an Testosteron unterdrücken.
Welche Relevanz hat dies für einen Artikel, der sich mit Antiöstrogenen beschäftigt? Nun, Antiöstrogene können nichts gegen diese Nebenwirkungen von Deca verrichten.
Dasselbe scheint für Oxymetholon (Anadrol) und Norethandrolone (Nilevar) zu gelten. Metenolon (Primobolan), Stanozolol (Winstrol), Dromostanolon (Masteron), Oxandrolon (Anavar), Mesterolon (Proviron), Stenbolon (Anatrofin), Trenbolon und DHT aromatisieren nicht und somit sind Antiöstrogene auch für diese anabolen androgenen Steroide nicht relevant.
Die Steroide, bei denen ein Aromatisieren ein besonderer Grund zur Sorge ist, sind Methandrostenolon (Dianabol), Boldenon (Equipoise) und in gewissem Umfang auch Fluoxymesteron (Halotestin). Letzteres wird jedoch für gewöhnlich in so geringen Dosierungen verwendet, das ein Aromatisieren kein Problem darstellen sollte.
Unter den Prohormonen ist Androstenedion der primäre Missetäter, was das Aromatisieren angeht. Bei Androdiol kann nur ein geringer Teil, der zu Testosteron umgewandelt wird, weiter in Östradiol umgewandelt werden und dies geschieht zum selbem Prozentsatz, mit dem andere Testosterone in Östradiol umgewandelt werden.
Norandrodiol kann nicht direkt in Östrogen umgewandelt werden und selbst nach einer Umwandlung in Nandrolon kann es nicht ohne Weiteres in Östrogen umgewandelt werden.
Norandrostenedion kann durch das Aromataseenzym in Östron umgewandelt werden, doch es ist ein sehr schlechtes Substrat für dieses Enzym. Es kann sogar als kompetitiver Hemmer agieren, indem es bessere Substrate wie Androstenedion oder Testosteron blockiert. Es ist somit möglich, wenn auch nicht nachgewiesen, dass Norandrostenedion einen gewissen Wert als Aromatasehemmer im Bereich des Bodybuildings haben könnte. Jedoch sind Pharmazeutika, die speziell für diesen Zweck entwickelt wurden, die bessere Wahl.

Aromatasehemmer

Der im Bereich des Bodybuildings am häufigsten verwendete Aromatasehemmer ist Aminoglutethimid (Cytadren). Dieser Wirkstoff hemmt außerdem ein Enzym (Desmolase), das für die Synthese von Kortisol notwendig ist. Doch glücklicherweise kann die Aromatase mit Spiegeln dieses Wirkstoffes gehemmt werden, die nur eine begrenzte Hemmung der Desmolase zur Folge haben. Im Gegensatz zu dem, was landläufig angenommen wird, ist es im Allgemeinen nicht wünschenswert die Kortisolproduktion zu hemmen. Wenn man dies tut, wird dies wahrscheinlich zu Gelenkproblemen führen und darüber hinaus muss, sobald die Hemmung endet, der Preis einer über den Normalwert hinausgehenden Kortisolproduktion gezahlt werden. Für einen durchschnittlichen Mann scheint eine Dosis von 250 mg pro Tag (eine Tablette) optimal zu sein. Die Halbwertszeit liegt bei 8 Stunden, weshalb die Tagesdosis dieses Medikaments besser auf mehrere Einzelgaben aufgeteilt werden sollte. Der beste Plan scheint darin zu bestehen, eine halbe Tablette nach dem Aufstehen und je eine viertel Tablette 6 und 12 Stunden später einzunehmen. Hierdurch können die Wirkstoffspiegel recht konstant gehalten werde, wobei gleichzeitig ein geringfügiges Absinken der Spiegel während der Stunden vor dem Aufstehen erlaubt wird, was dann durch die höhere Dosierung direkt nach dem Aufstehen kompensiert wird. Bei diesem Dosierungsschema ist die Hemmung der Kortisolproduktion im Allgemeinen zu gering, um wahrgenommen zu werden. Und es kommt in der Regel auch nicht zu einer Rückkopplungsreaktion nach dem Absetzen. Es ist trotzdem keine schlechte Idee, diesen Wirkstoff auszuschleichen, indem man zuerst für einige Tage die viertel Tablette Mittags weglässt, danach die zweite viertel Tablette am Nachmittag weglässt, hiernach die morgendliche Dosis auf eine viertel Tablette reduziert und die Einnahme schließlich vollständig beendet. Eine Woche ist für dieses Ausschleichen ausreichend. Einige Menschen leiden selbst bei einer so niedrigen Dosierung unter einem gewissen Grad an Lethargie oder Sedierung durch Aminoglutethimid, doch die meisten Menschen haben hiermit keine Probleme. Anastrozol (Arimidex) ist ein überlegener Aromatasehemmer, der die oben erwähnten Nebenwirkungen nicht besitzt. Er ist jedoch sehr teuer. Bei moderaten Testosteron Dosierungen scheint 1 Milligramm dieses Wirkstoffes auszureichen und einige behaupten, dass selbst eine halbe Tablette ausreicht.

Rezeptorblocker

Clomifen (Clomid) und Tamoxifen (Nolvadex) sind die beliebtesten Wirkstoffe aus dieser Klasse. Sie werden präziser auch als „selektive Östrogenrezeptor-Modulatoren“ bezeichnet, da ihre Wirkungsweise nicht einfach nur in einer Blockierung des Östrogenrezeptors besteht. Östrogenrezeptoren benötigen nicht nur Hormone, sondern auch eine Aktivierung der Regionen des Rezeptors, die als AF-1 und AF-2 bezeichnet werden. Für eine Aktivierung des AF-1-Bereiches ist eine Phosphorylierung notwendig, während AF-2 durch eine Reihe von Co-Faktoren wie IGF-1 aktiviert werden kann. Clomifen und Tamoxifen agieren in Zellen, die von einer Aktivierung der AF-2 Region abhängig sind, als Östrogenrezeptor Antagonisten, während sie in Zellen, die AF-1 aktivieren, als Östrogene agieren. In einigen Zellen aktivieren diese Wirkstoffe einen der Typen von Östrogenrezeptoren (ERa), während sie für den anderen Typen (ERb) als Antagonisten agieren. Das Resultat hiervon ist, dass diese Verbindungen im Brustgewebe, dem Fettgewebe und im Hypothalamus als Antiöstrogene agieren, was das ist, was wir im Bereich des Bodybuildings möchten, während sie im Knochengewebe als Östrogen agieren und eine vorteilhafte Auswirkung auf die Blutfettwerte besitzen, was beides wünschenswerte Eigenschaften sind. Sie scheinen eine gewisse Östrogenwirkung auf die Stimmungslage zu besitzen, was jedoch unter Umständen nur in einigen Bereichen des Gehirns der Fall ist (dieses Thema wurde noch nicht genauer untersucht). Cyclofenil ist ein Wirkstoff, der den beiden zuvor genannten ähnelt. Clomifen bewirkt alles, was die anderen tun, doch man hat sowohl im medizinischen Bereich als auch im Bereich des Bodybuildings herausgefunden, dass dieser Wirkstoff aus noch unbekannten Gründen effektiver als Tamoxifen ist, wenn es um eine Erhöhung der LH-Produktion geht.
Raloxifen (Evista) ist ein neuer selektiver Östrogenrezeptormodulator, der für Frauen den Vorteil besitzt, dass er im Uterus als Antiöstrogen agiert, während Tamoxifen und Clomifen in diesem Bereich als Östrogene wirken. Aus diesem Grund können die beiden letztgenannten Wirkstoffe Gebärmutterkrebs fördern, während Raloxifen dabei helfen sollte, diesen zu verhindern und deshalb den für Frauen überlegenen Wirkstoff darstellt. Es ist nicht bekannt, wie effektiv Raloxifen bezüglich einer Erhöhung der LH Produktion ist. Während der Verwendung hoher Dosierungen von Androgenen ist es unmöglich die LH-Produktion aufrecht zu erhalten und auch Clomifen kann in dieser Beziehung nichts bewirken. Wenn die Androgenspiegel wieder in den Normalbereich zurückkehren, ist eine Dosierung von 50 mg Clomifen pro Tag, wenn sich die Östrogenspiegel im mittleren Bereich befinden und 100 mg pro Tag, falls sich die Östrogenspiegel im hohen Bereich befinden, in der Regel effektiv, was eine Wiederherstellung der natürlichen Testosteronproduktion angeht.
Da dieser Wirkstoff eine lange Halbewertszeit besitzt, liegt die Wirkstoffmenge im Körper, wenn man 50 mg Clomifen pro Tag einnimmt, nicht nur bei 50 mg, sondern kumuliert sich im Lauf der Zeit, bis auf eine Menge von 300 mg. Um direkt bei diesem therapeutischen Spiegel anzukommen, kann man am ersten Tag 300 mg (50 mg sechsmal täglich) einnehmen und die Einnahme ab dem zweiten Tag mit 50 mg Clomifen pro Tag fortsetzen. Ein geringer Prozentsatz der Anwender leidet während der Einnahme von Clomifen unter Sehstörungen, welche jedoch im Allgemeinen nach dem Absetzen des Wirkstoffes reversibel sind. Diese Personen sollten diesen Wirkstoff nicht weiter verwenden, wenn diese Probleme einmal aufgetreten sind. Es muss außerdem hervorgehoben werden, dass es sich bei diesen Medikamenten um rezeptpflichtige Wirkstoffe handelt, die nur unter ärztlicher Aufsicht verwendet werden sollten, auch wenn selektive Östrogenrezeptormodulatoren ein exzellentes Sicherheitsprofil aufweisen. Nach einem Steroidzyklus mach es Sinn, die Einnahme von Clomifen für mindestens vier Wochen nach der letzten Injektion eines lange wirksamen Esters fortzusetzen oder mindestens zwei Wochen nach der letzten Einnahme eines oralen Steroids oder bis die natürliche Testosteronproduktion wieder ihren Normalwert erreicht hat.

Fazit

Neben Akne und Haarausfall sind die Entwicklung einer Gynäkomastie und Schwierigkeiten bei der Wiederherstellung der natürlichen Testosteronproduktion die am weitesten verbreiteten Probleme einer Verwendung anaboler Steroide. Antiöstrogene Medikamente können beide dieser Probleme effektiv adressieren und können bei den meisten Menschen als sicher angesehen werden. Idealerweise sollte das Problem, wenn aromatisierende Steroide verwendet werden, an der Quelle korrigiert werden, indem man die Produktion von Östrogen durch einen Aromatasehemmer begrenzt. Es ist jedoch auch effektiv einen selektiven Östrogenrezeptor-Modulator wie Clomifen zu verwenden. Letzterer Wirkstoff ist auch bei der Unterstützung der Wiederherstellung der körpereigenen natürlichen Testosteronproduktion nach einem Steroidzyklus von besonderem Nutzen.

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