BEWEGENDES Interview mit ANDRE PATRIS: OP am OFFENEN Herzen, Angst um das Leben & Liebe zum Natural Bodybuilding!

Andre Patris, auch bekannt als „Therealnatty“, kennen Einige aufgrund seiner bewegenden Geschichte. Wir hatten euch bereits letztes Jahr über das Natural Bodybuilding Talent berichtet. Denn neben der Liebe zum Bodybuilding hat Andre auch einige Schicksalsschläge hinter sich. Jüngst musste sich der 25 Jähriger einer Operation am offenen Herzen unterziehen. Die Leidenschaft für den Kraftsport hat er trotzdem nicht aufgegeben. In unserem Interview spricht Patris über seine Ängste vor dem Tod, die Bedeutung von Natural Bodybuilding und seiner Beziehung zu BroSep!

  • Name: Andre Patris
  • Alter: 25 Jahre
  • Größe: 180cm
  • Gewicht aktuell: 86kg
  • Gewicht Offseason: 95kg
  • Gewicht Wettkampf: ~ 79kg
  • Beruf: Personal Trainer, Ernährungsberater, Coach
  • Sportliche Erfolge: Mehrere Wettkämpfe national als auch international mit Top 3 Platzierungen
  • Größter Erfolg: 2014 Anbf – Junioren 1. Platz, Mittelgewicht 1. Platz und Gesamtsieg und somit Natural Bodybuilding Pro im alter von 21 Jahren.

Andre, Deine Geschicht hat in der deutschen Fitnessszene definitiv weite Kreise gezogen. Doch bevor wir darauf näher eingehen, was hat Dich zum Kraftsport gebracht?

Zum Kraftsport gebracht hat mich im Endeffekt ein gesundheitliches Problem mit dem Lendenwirbel, welches ich mir durch jahrelangen Radsport zugezogen habe. Ich habe damals mit einem Freund zusammen in einem Physiotherapeutischem Fitnessstudio mit Gerätetraining angefangen. Da gab es eine Scottcurl-Maschine, welche nicht auf meinem Plan stand. Trotzdem habe ich sie immer heimlich gemacht. Irgendwann nahm vor allem mein Freundeskreis wahr, dass meine Armmuskulatur,  insbesondere mein Bizeps, gewachsen war. Das kam scheinbar gut an und motivierte mich irgendwie weiter zu machen. Irgendwann sah ich die Undisputed-Filme mit Scott Adkins (Jury Boyka). Heftiger Typ! So wollte ich dann auch sein. Ab da fing ich an täglich Liegestütz zu machen und suchte ein anderes Gym auf. Im Studio B Fitnesscenter in Rheine gab es für mich dann sowohl Kampfsport als auch einen Freihantel Bereich. Nachdem ich mich nach etwa 1,5 Jahren bei einem Sparringkampf schwer verletzte und operiert werden musste, war schnell klar, dass die Realität oft anders aussah als im Film. So widmete ich mich fortan lieber nur dem Eisen um verletzungsfrei zu bleiben. Denn 2 Monate Pause damals brachen mir schon das Herz.

Wann und warum kam für Dich der Punkt, auch Wettkämpfe zu machen?

Noch einmal 1,5 Jahre später etwa, traf ich auf einen Unbekannten im Fitnessstudio, welcher mich sah und mich ansprach. Er meinte zu mir, dass ich wohl noch sehr jung sei und sehr gut in Form bin. Nachdem geklärt war, dass ich frei von Dopingsubstanzen bin, hat er mir geraten bei der GNBF auf die Bühne zu gehen. Der Wettkampf sollte ein paar Wochen später sein. Seiner Meinung nach sollte ich „da bei den Junioren richtige gute Chancen“ haben. Natürlich habe ich mir vorab noch einen Wettkampf angeschaut, da ich wissen wollte, was auf mich zukommt. Mein Onkel nahm mich mit zu der NRW Meisterschaft des DBFV’s. Dort lernte ich einen guten Freund meines Onkels kennen, der fasziniert davon war, dass ich so aussah wie ich aussah ohne eben auf Hilfsmittel zurückzugreifen. Er hat mir bei der Vorbereitung und beim Posing geholfen. Ich konnte mich schließlich nur 6 Wochen später gegen über 28 anderen Junioren Athleten auf der Deutschen Meisterschaft durchsetzen und schaffte es ins Finale bis auf Platz 3. Das war mein aller erster Wettkampf mit damals 19 Jahren. Ich war verdammt stolz (bin es heute noch) und ab da hat mich das Wettkampffieber und das Bodybuilding einfach gepackt. Ich war so motiviert wie noch nie, in etwas so gut zu werden wie noch nie zuvor. Deshalb trainierte ich so hart um anschließend nur 1 Jahr später mit einer viel besseren Form zu starten und holte mir gleich bei meinem 2. Wettkampf die ProCard. Eine Woche später unterlag ich nur knapp dem heute sehr bekannten BroSep, welcher übrigens gleich bei seinem ersten Wettkampf seine ProCard holte und für mich noch heute ein großes Vorbild und eine Inspiration ist – nicht nur auf den Sport bezogen!

Für diejenigen, die Deine Story noch nicht kennen: welche gesundheitlichen Probleme hast Du und inwiefern haben sie Dich beim Bodybuilding bisher beeinflusst?

Ich bin mit einer Herzinsuffizienz geboren. Um genau zu sein einer Aorteninsuffizienz mit einem Aortenaneurysma. Deshalb muss ich schon seit ich denken kann Blutdrucksenkende Medikamente nehmen und regelmäßig zu Kontrollen. Oft hat mich meine Herzerkrankung zurückgeworfen. Zuerst 2014 kurz nach meiner erfolgreichen Wettkampfsaison mit einem Myokardinfarkt/Herzinfarkt aufgrund einer Durchblutungsstörung meines Herzmuskels. Daraufhin war klar, dass ich dringend am Herzen operiert werden musste. Vorerst entschied ich mich für einen kleineren Eingriff über die Hauptschlagader meines rechten Beines, welchem ich heute immer noch eine Dysbalance verdanke. Ich wollte noch einmal an einem Wettkampf teilnehmen, bevor ich mich einem Eingriff am offenen Herzen unterziehen lasse. Schließlich hätte diese Operation für mich für immer das Bodybuilding-Aus bedeuten können. Zum Glück habe ich es geschafft mich wieder aufzzurappeln und konnte 2016 erneut bei der GNBF starten, um endlich mal den Sieg einzufahren. Leider habe ich mich so sehr unter Druck gesetzt und konnte deswegen nicht meine Topform bringen. Die Präsentation hat einfach nicht gestimmt. Schließlich landete ich auf einem noch glücklichen 3. Platz im Mittelgewicht.

Die OP im vergangenen Jahr war sicher ein Rückschlag für Dich. Trotzdem hast Du es geschafft, nur ein Jahr später wieder auf der Bühne zu stehen. Woher kam Dein innerer Antrieb, wieder derart Vollgas zu geben?

Genau. Im Frühjahr 2017 kam es erneut zu Anzeichen eines Myokardinfarktes. Ich kam nicht mehr um eine offene Herzoperation herum. Deshalb habe ich mich einer Bentall-Op unterzogen. Dabei habe ich neue, mechanische Herzklappen aus Carbon und eine Aortenprothese bekommen. 3 Tage Koma, 4 Tage Intensivstation, 11 Tage Stationärer Aufenthalt in der Uniklinik und 3 Wochen Reha später, saß ich wieder im Fitnessstudio mit nur 72kg und führte Wadenheben aus.

2 Wochen später konnte ich zusätzlich noch Armstrecken am Kabel ausüben, vorausgesetzt jemand reichte mir die Stange an. Weitere 2 Wochen später konnte ich Bizepscurls mit 5kg ausführen. Und dann ging alles ziemlich schnell.. ich veröffentlichte, dass ich innerhalb von nur 12 Monaten meinen nächsten Wettkampf machen würde. Vor allem um mich selbst zu pushen, mir ein Ziel zu setzen und öffentlichem Druck auszusetzen. Das tat ich dann auch! Ich habe es geschafft, bei der GNBF ins Finale auf Platz 5 in einem noch nie dagewesenen starken und dichtem Teilnehmerfeld. Außerdem bin ich bei der DBFV im Classic Bodybuilding angetreten und kam auch dort gerade so ins Finale und belegte den 6. Platz.

Was motiviert Dich während Deinem Training? Woran denkst Du dabei?

Puh, was motiviert mich während des Trainings? Oftmals Musik, die ich mit bestimmten Lebensereignissen in Verbindung bringe. Die richtige Musik auf den Ohren kann in mir ziemlich viele Emotionen hervorrufen. Dabei denke ich oftmals daran, wie ich eben bei dem nächsten Wettkampf als letztes aufgerufen werde.. ziemlich oft sogar! Oftmals mit Tränen in den Augen, da ich ein sehr emotionaler Mensch bin. Aber das kann mich zu Höchstleistungen antreiben. Meine Träume eben! Ich habe einen Traum, wie so viele und ich arbeite unmenschlich hart daran, diesen eines Tages zu erreichen. Ich kann mich selbst dermaßen motivieren, dass ich manchmal Leistungen bringe die selbst mich im Nachhinein schockieren. Ich hatte es nie leicht im Leben. Ich weiß woher ich komme und ich weiß wohin ich will. Und daran denke ich beim Training.

Wie häufig hast Du Tage, an denen Du noch heute Angst um Deine Gesundheit hast?

Ich habe täglich Angst um meine Gesundheit und täglich Angst um mein Leben. Nicht unmittelbar, sondern Angst vor dem was kommt. Sicherlich habe ich mich noch nie so sehr mit dem Leben und mit dem Tod auseinander gesetzt wie das letzte Jahr nach der Operation. Einerseits bin ich dankbar dafür, solch eine Lebenserfahrung gemacht zu haben. Manchmal jedoch wünschte ich mir, diese nicht gemacht haben zu müssen. Tatsächlich glaube ich manchmal, dass man besser dran ist, wenn man dumm und unwissend ist…

Heute mache ich mir sehr viele Gedanken über das Leben und den Tod. Und wenn ich ehrlich bin, macht es mich todtraurig zu wissen, dass ich nicht ewig hier bleiben kann. Dafür aber weiß ich heute das Leben und vor allem die Zeit so viel mehr zu schätzen. Die Operation hat mir die Augen geöffnet. Ich habe viele Dinge im Leben getan „die ich tun musste“, die ich aber eigentlich gar nicht tun wollte. Ich habe meine kostbare Zeit verschwendet. Das werde ich nie wieder tun. Jede Sekunde voll Hass, Neid, Gier ist eine verlorene Sekunde. Deshalb versuche ich wirklich jede Sekunde des Lebens zu lachen, zu lieben und zu genießen. Selbst wenn es zu Situationen kommt in denen ich Agressionsanfälle bekomme und irgendwem am liebsten ins Gesicht treten würde, kann ich mich ziemlich schnell wieder beherrschen und finde schnell mein Lächeln zurück.

Welche Ziele hast Du in Bezug auf das Natural Bodybuilding und Dein eigenes Coaching Business?

Mein Coaching läuft sehr gut und könnte eigentlich nicht besser laufen, denn das letzte halbe Jahr bin ich so gut wie immer ausgebucht gewesen. Auch die Zukunft sieht aktuell nicht anders aus. Meine Klienten sind alle sehr zufrieden und erfolgreich, was mir das aller Wichtigste ist. Mein nächstes und bisher immer noch unerreichtes Ziel im Naturalen Bodybuilding ist nach wie vor der Sieg bei der GNBF. Eigentlich bin ich Profi, zumindest ein ProCard Inhaber. Aber aufgrund der ständigen Operationen habe ich es noch nicht auf Profi-Niveau geschafft. Ich denke, dass wenn ich nun wirklich mal ein paar Jahre gesund bleibe, endlich den GNBF Sieg einfahre, bin ich auch bereit mal bei den Profis mitzuspielen. Zumindest ist das mein Ziel!

Mit BroSep verstehst Du Dich ja auch recht gut. Laut ihm ist Natural Bodybuilding besonders im Social Media Bereich “out”. Wie stehst Du zu dieser Aussage?

Mit dem BroSep verstehe ich mich sehr gut. Oftmals teilen wir eine Meinung. Lustig ist, dass ich ziemlich zeitgleich ein Video zum gleichem Thema hochgeladen haben. Ich teile einfach mal den Link mit euch:

Wie stehst Du im Allgemeinen zu unterstützenden Mitteln. Schließlich ist es für Dich schon allein im Hinblick auf Deine Krankheitsgeschichte keine Option. Wäre das ohne Dein Krankheitsbild anders?

In dem Video zur vorherigen Frage äußere ich mich auch im Bezug zu Dopingsubstanzen. Allgemein finde ich Doping im Bodybuilding nicht so schlimm. Irgendwie gehört es mit dazu. Arnold Schwarzenegger, ein Vorbild für so viele.. jedoch mit Sicherheit nicht dopingfrei. Ich liebe das Bodybuilding. Ich verfolge sehr viele Bodybuilder, welche offensichtlich Dopingmittel konsumieren und ich liebe wie sie aussehen. Wie gern würde ich auch so aussehen können – allerdings aber eben ohne Dopingsubstanzen konsumieren zu müssen! Nur was mich wirklich stört und warum das „Natural Bodybuilding“ eben „out“ oder verrufen ist, ist weil einfach unglaublich viele, offensichtlich gedopte Bodybuilder (Lügner) behauptet haben keine Dopingsubstanzen zu nutzen. Genau das ist wirklich sehr sehr traurig!

Ich werde wahrscheinlich eben nie so aussehen wie diese. Wahrscheinlich würde ich nicht mal so aussehen, wenn ich tatsächlich Dopingsubstanzen konsumieren würde. Aber ich kann so ähnlich aussehen. Nur mit weniger Masse und etwas mehr Körperfettanteil. Aber ich versuche mich auch gar nicht zu limitieren. Schließlich weis ich, dass ich eben auch ohne Dopingsubstanzen eine Form erreichen kann, von der mir niemals jemand glauben wird, dass ich diese dopingfrei erreicht habe! Merkt euch meine Worte und schaut mir zu! Wir sprechen uns in drei Jahren wieder.

Wahrscheinlich ist genau das ein weiterer Grund, warum das Naturale Bodybuilding so out ist. Weil es tatsächlich einige wenige sehr sehr gute Natural Bodybuilder gibt, die eben eine außergewöhnliche und selten gute Form bringen – auch ohne nachzuhelfen! Allerdings schaut das oftmals sehr fragwürdig aus. Und auch ich habe schon Einige hinterfragt. Aber solange man ihnen nicht das Gegenteil beweisen kann, gehe ich davon aus, dass sie es tatsächlich sind und nutze das als Motivation, dass ich selbst eventuell eines Tages so aussehen kann – auch ohne nachzuhelfen!

Vor welchen Fehlern würdest Du Nachwuchs Bodybuilder unbedingt warnen, die Du womöglich selbst in der Vergangenheit gemacht hast? (in Bezug auf Muskelaufbau, Ernährung, Training etc.)

Ich würde jedem Anfänger mit ernsthaften Ambitionen empfehlen sich einen guten Trainer oder Coach zu suchen. Wie kann ein Anfänger nun herausfiltrieren wer gut ist und wer nicht…eigentlich gar nicht! Leider.

Ich würde gerne alle coachen. Aber leider habe ich nicht so viel Kapazitäten. Der liebe Gott war großzügig und hat auch mir 24 Stunden jeden Tag gegeben. Aber nicht mehr..
Ich denke aber, dass auch ein noch so schlechter Trainer immer mehr weiß, als ein Trainingsanfänger. Deshalb wird er ihm auf jeden Fall weiter helfen können. Zumindest für den Anfang. Und wenn der Trainingsanfänger wissbegierig und ehrgeizig ist, dann wird er schon seinen Weg gehen..