Steroide – für wen sind sie gefährlich?

Eines steht fest: jeder Bodybuilder reagiert unterschiedlich auf anabole Steroide. Zum einen gibt es Bodybuilder, deren Gesundheit sich durch die Verwendung von Steroiden zu verbessern scheint. Ihre Muskeln wachsen, sie verlieren Fett und sie fühlen sich besser und selbstsicherer. Zum anderen gibt es Trainierende, die alles andere als positiv zu reagieren scheinen. Ihnen fallen die Haare aus, sie sind leichter zu reizen, sie entwickeln Probleme beim Wasserlassen und leiden unter Bluthochdruck. Was Muskelzuwächse anbetrifft, scheinen sie gegenüber den anabolen Effekten von Steroiden völlig „resistent“ zu sein.

Der Androgenrezeptor Genpolymorphismus

Diese unterschiedlichen Reaktionen auf anabole Steroide sind kein ungeklärtes Phänomen. Anwender mit einer hohen Dichte an Androgenrezeptoren in den Muskeln profitieren von den Wirkungen anaboler Steroide eindeutig besser. Doch wenn alle Zellen bis auf die Muskelzellen eine hohe Androgenrezeptorendichte aufweisen, dann steigt die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten unerwünschter Nebenwirkungen. Vor allem die Verstoffwechselung bzw. Abbau von Steroiden spielt dabei eine weitere wichtige Rolle. Testosteron kann in eine ganze Reihe unterschiedlicher Hormone wie Östrogene und Dihydrotestosteron umgewandelt werden. Je höher diese Umwandlungsrate ausfällt, desto mehr wird man unter Nebenwirkungen leiden und desto geringer werden die anabolen Effekte ausfallen. Doch es gibt noch mehr zu beachten!

Viele gehen davon aus, dass ein Androgenrezeptor gleich ein Androgenrezeptor ist. Sie glauben, dass alle Androgenrezeptoren gleich und somit auch gleichermaßen effektiv sind. Aktuelle Studien zeigen jedoch, dass nicht jeder die exakt gleichen Androgenrezeptoren besitzt. Einer der am meisten studierten Polymorphismen sind die CAG-Wiederholungen.

Lange oder kurze CAG Wiederholungen?

Das für die Produktion der Androgenrezeptoren verantwortliche Gen ist polymorph und kann unterschiedliche Anzahlen von CAG-Wiederholungen enthalten. Dabei steht das „C“ für Cytosin, das „A“ für Adenin und das „G“ für Guanin. Bei normalen Menschen reichen die CAG-Wiederholungen von 6 bis 39. Dies bedeutet, dass in unserem Gen, das die Androgenrezeptoren enkodiert, sich die CAG-Triplets von 6 mal bis 39 mal wiederholen können. Es scheint offensichtlich, dass jeder Polymorphismus eine geringfügig andere Art von Androgenrezeptoren produziert. Bis zu 23 Wiederholungen werden als kurze CAG- Wiederholungsgruppe angesehen, während mehr als 23 Wiederholungen zur langen Gruppe gehören.

Was bedeutet das für uns?

Menschen mit kurzen Wiederholungen sind gegenüber den androgenen Effekten von Testosteron am empfindlichsten. Wenn man in jungem Alter unter Akne, starker Körperbehaarung und Haarausfall am Kopf gelitten hat, dann wird die CAG-Wiederholung mit großer Wahrscheinlichkeit kurz sein. Menschen mit den längsten Wiederholungen sind weniger empfindlich gegenüber den androgenen Auswirkungen von Testosteron. Wenn man nie unter den oben beschriebenen Nebenwirkungen des eigenen Testosterons gelitten hat, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass man zur langen CAG-Wiederholungsgruppe gehört. Ähnlich wie bei einer Insulinresistenz könnte man sagen, dass man aufgrund einer Mutation der Androgenrezeptoren testosteronresistent ist. Diese Rezeptoren mögen Testosteron nicht so sehr wie die Androgenrezeptoren, die von den Genen mit kürzeren Wiederholungen enkodiert wurden. Diese Hyposensitivität klingt nicht gut? Oder tut sie das?

CAG-Wiederholungslänge und Muskelmasse

Man könnte erwarten, dass Männer mit langen CAG-Wiederholungen aufgrund ihrer mehr oder weniger stark ausgeprägten Testosteronresistenz weniger Muskelmasse mit sich herumtragen. Überraschenderweise stimmen die Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen hiermit nicht überein. Sie zeigen genau das Gegenteil. Untrainierte Männer mit langen CAG-Wiederholungen weisen etwa 6% mehr fettfreie Muskelmasse als Männer mit kürzeren CAG-Wiederholungen auf. Dies legt nahe, dass Männer mit langen CAG-Wiederholungen überall im Körper – bis auf die Muskelzellen – gegenüber Testosteron unempfindlich sind. Folglich wird ihr eigenes Testosteron weniger Nebenwirkungen, jedoch mehr anabole Wirkungen hervorrufen. Aufgrund der Unempfindlichkeit gegenüber Androgenen neigen diese Männer außerdem dazu mehr eigenes Testosteron zu produzieren. Somit sind steroidfreie Bodybuilder mit einem langen Profil besser dran als Bodybuilder mit kurzen CAG-Wiederholungen.

Doch was passiert, wenn Steroide zum Einsatz kommen? Die Schlussfolgerung, dass diese Männer mehr von anabolen Steroiden profitieren würden, ist umstritten. Bashin fand heraus, dass bei Anwendern von Testosteron die Länge des CAG-Trakts nur ein schwacher Indikator für Veränderungen bezüglich der fettfreien Körpermasse war. Man sollte jedoch nicht überrascht sein, falls mehr Nebenwirkungen anaboler Steroide auftreten, wenn man in das kurze CAG-Profil passt. Das Verhältnis von Massezuwächsen zu Nebenwirkungen ist bei Bodybuildern mit langen CAG-Wiederholungen mit großer Wahrscheinlichkeit besser.

Langfristig denken

Männer mit kurzen CAG-Wiederholungen weisen ein höheres Risiko für Prostatakrebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen auf, wenn sie älter werden. Sie sollten zweimal nachdenken bevor sie Steroide verwenden. Man sollte sich vorbeugend auf jeden Fall mit Hilfe eines wirkungsvollen 5-alpha-Reduktase-Hemmers schützen.

Studien haben gezeigt, dass Männer mit langen CAG-Wiederholungen im Vergleich zu Männern mit kürzeren Wiederholungen ein höheres Risiko für Brustkrebs aufweisen. Dies hängt wahrscheinlich mit der Tatsache zusammen, dass die Östrogenproduktion bei Männern mit längeren CAG-Wiederholungen höher auszufällt. Man sollte also kein Risiko eingehen! Wenn man sich dafür entscheidet anabole Steroide zu verwenden, dann könnte ein starker Aromatasehemmer dabei helfen das Auftreten einer Gynäkomastie und zukünftigem östrogenbedingten Krebs zu reduzieren. Zudem neigen Männer mit langen Wiederholungen auch dazu unter Problemen des reproduktiven Systems zu leiden. Wenn dies der Fall ist und Probleme bereitet, dann wird von einem 5-alpha-Reduktase-Hemmer abgeraten, da er Erektionsprobleme verschlimmern könnte.

Praktische Tipps für Bodybuilder mit kurzem CAG-Profil

Das individuelle Wiederholungsprofil kann nicht verändert werden, da die Anzahl der CAG-Triplets genetisch festgelegt ist.

Es kann nur versucht werden die androgenbedingten Nebenwirkungen zu bekämpfen.

Wer in jungem Alter sichtbare Nebenwirkungen durch körpereigenes Testosteron erlebt hat, sollte zweimal nachdenken bevor anabole Steroide verwendet werden.

Auf lange Sicht gesehen besteht Gefahr, wenn man auf Steroide verzichtet.

Nur weil Muskeln nicht auf Steroide ansprechen, bedeutet dies nicht, dass es nicht im Rest des Körpers zu Schädigungen kommen kann.

Um auf der sicheren Seite zu bleiben, sollten so viele schützende Maßnahmen wie möglich ergriffen werden.

Es sollte auf schwächere anabole Wirkstoffe zurückgegriffen und sich von potenten androgenen Wirkstoffen ferngehalten werden.

Während der Anwendung anaboler Steroide, sowie außerhalb der Anwendungsphase einen 5-alpha-Reduktase-Hemmer verwenden.

Praktische Tipps für Bodybuilder mit langem CAG-Profil

Es sollte nicht davon ausgegangen werden, dass mit diesem Profil Nebenwirkungen anaboler Steroide ausbleiben.

Man weist lediglich statistisch gesehen ein geringeres Risiko auf.

Die Priorität besteht darin, dass Östrogen zu hemmen.

Wenn keine Erektionsprobleme vorliegen, sollte außerdem einen 5-alpha Reduktase Hemmer verwenden.

 

Referenzen

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