Ein Artikel von Patrick Arnold
Ich verbringe einen nennenswerten Teil meines Arbeitstages damit, die Fragen der Leute über Prohormone und Steroide zu beantworten. Natürlich hängt eine der größten Sorgen dieser Menschen mit Östrogen und östrogenbedingten Nebenwirkungen zusammen. Direkt danach kommen jedoch schon Fragen zu DHT. Es scheint so, als ob die Leute die falsche Vorstellung haben, dass DHT ein böses Androgen Nebenprodukt ist, welches im Körper keinem anderen Zweck dient, als die Prostata aufzublasen und die Haare ausfallen zu lassen.
Die Realität ist natürlich weitaus komplexer. DHT ist eines dieser „guter Cop / böser Cop“-Hormone, das zutiefst missverstanden wird. Für viele Menschen ist DHT nichts, was man im Körper reduzieren oder eliminieren möchte. Für andere kann eine Kontrolle der DHT Spiegel jedoch eine vernünftige Vorgehensweise sein. Wenn man die Fakten über DHT kennt, dann wird einem dies dabei helfen zu entscheiden, zu welcher Gruppe man gehört.
Ist Testosteron ein Prohormon?
Das primäre Androgen, das von den Hoden ausgeschüttet wird, ist natürlich Testosteron. In den meisten Bereichen des Körpers wird das androgene Signal jedoch nicht durch Testosteron übertragen. In diesen Gewebetypen, zu denen das Gehirn (ZNS), die Haut, die Genitalien – praktisch alles außer den Muskeln – gehören, ist DHT das aktive Androgen. Testosteron agiert in diesem Fall lediglich als Prohormon, das durch die Aktion des Enzyms 5-alpha Reduktase (5-AR) in das aktive Androgen DHT umgewandelt wird.
Das 5-alpha Reduktase Enzym kommt in praktisch jedem androgenabhängigen Bereich des Körpers außer der Skelettmuskulatur in hoher Konzentration vor. Dies resultiert darin, dass in diesen Bereichen des Körpers nur wenig Testosteron überhaupt an den Androgenrezeptoren ankommt. Stattdessen wird es schnell in DHT umgewandelt, welches dann mit den Rezeptoren interagiert.
Diese Transformation ist in diesen Gewebetypen eine sehr wichtige biologische Funktion. DHT ist ein sehr viel stärkeres Androgen als Testosteron, das um den Faktor 3 bis 5 stärker an den Androgenrezeptor anbindet. Wenn man das 5-AR Enzym aus diesen Gewebetypen entfernen und die Bildung von DHT blockieren würde, dann könnte man dramatische Veränderungen der Physiologie beobachten.
Ein gutes Beispiel ist männlicher Pseudohermaphroditismus aufgrund eines angeborenen 5-AR Mangels. Dies ist eine relativ seltene Störung, die jedoch in der dominikanischen Republik recht häufig vorkommt. Bei dieser Störung werden Männer mit wenig oder ganz ohne 5-AR Enzym geboren. Sie haben missverständliche Genitalien und werden häufig als Mädchen aufgezogen. Wenn die Pubertät eintritt, steigen ihre Testosteronspiegel normal an, wobei die DHT Spiegel jedoch niedrig bleiben. Ihre Muskulatur entwickelt sich normal wie bei anderen Erwachsenen, doch sie enden mit wenig oder ohne Scham- und Körperbehaarung, einer unterentwickelten Prostata und einem unterentwickelten Penis. Häufig sind auch Libido und Sexualfunktion gestört.
Testosteron ist das aktive Androgen in der Muskulatur
Die Skelettmuskulatur unterscheidet sich auf einzigartige Art und Weise von anderen androgenabhängigen Gewebetypen des Körpers. Sie enthält nur wenig oder kein 5-AR, weshalb auch nur wenig oder kein DHT in der Muskulatur gebildet wird. Zusätzlich hierzu wird alles DHT, das trotzdem entsteht oder das bereits im Blut vorhanden ist und so in den Muskel gelangt, schnell durch ein Enzym namens 3alpha-Hydroxysteroid Reduktase (3a-HSD) deaktiviert.
Testosteron ist also, zumindest was die Muskulatur angeht, das primäre aktive Androgen. Hiermit soll nicht gesagt werden, dass die Verabreichung exogenen DHTs keine anabole Wirkung besitzt. DHT zeigt in der Tat etwas anabole Aktivität im Muskel, wobei diese jedoch deutlich schwächer als bei der gleichen Dosis Testosteron ausfällt. Dies hängt mit dem schnellen Abbau durch das 3a-HSD in das schwächere Stoffwechselprodukt 5alpha-androstan-3a,17b-diol zusammen. Wenn man dieses Enzym irgendwie blockieren könnte, dann würde DHT wahrscheinlich eine sehr starke anabole Wirkung im Muskel zeigen.
Es ist wichtig zu verstehen, dass selbst wenn Testosteron das aktive Androgen im Muskel ist und DHT beim Menschen nur eine sehr schwache anabole Wirkung in der Muskulatur zeigt, DHT für die volle leistungssteigernde Wirkung von Testosteron trotzdem sehr wichtig ist. Hiermit meine ich spezifisch die Auswirkungen von DHT auf das zentrale Nervensystem, welche zu einer gesteigerten neurologischen Effizienz (Kraft) und einer gesteigerten Widerstandsfähigkeit gegenüber psychologischem und körperlichem Stress führt – ganz zu schweigen von der optimalen sexuellen Funktion und der Libido.
Ich habe mehrere anekdotenhafte Berichte von Personen gehört, die Testosteron mit Proscar (ein 5-alpha Reduktase Inhibitor) kombiniert und eine signifikant reduzierte leistungssteigernde Wirkung bemerkt haben. Was geht da vor sich? Wir wissen, dass es nicht mit einer Hemmung der direkten anabolen Aktivität von Testosteron auf den Muskelanabolismus zusammen hängen kann. Höchstwahrscheinlich liegt es an der Reduzierung der androgenen Wirkungen in anderen Bereichen des Körpers, die zur leistungssteigernden Wirkung beitragen, was insbesondere für das ZNS gilt, welches durch die Androgene dazu angeregt wird, seine neuronale Aktivität zu steigern, was zu einer größeren Kraft und einer besseren Regeneration führt. Eine andere Möglichkeit ist eine Reduzierung der Produktion androgenabhängiger Wachstumsfaktoren in der Leber (wie z.B. IGF-1), da DHT in der Leber ein wichtiges Androgen darstellt.
Ein paar Gedanken zu Testosteron und leistungssteigernden Medikamenten
Die antiöstrogene Wirkungen von DHT
Eine wichtige Funktion von DHT im Körper, über die nicht häufig gesprochen wird, ist sein Östrogen Antagonismus. Einige Männer, die Proscar einnehmen, lernen dies auf die harte Tour – wenn sich bei ihnen eine Gynäkomastie entwickelt. Durch eine Reduzierung des DHT Schutzes gegen Östrogen im Körper wurden diese Männer Opfer der am meisten gefürchteten Auswirkung von Östrogen – Bitch Tits!
Wie schützt DHT vor Östrogen? Es gibt mindestens drei Wege, über die dies möglich ist. Zuerst einmal hemmt DHT die Östrogenaktivität im Gewebe direkt. Es tut dies, indem es als kompetitiver Antagonist am Östrogenrezeptor agiert oder die Östrogen induzierte RNA Transkription an einem Punkt nach dem Anbinden von Östrogen an seinen Rezeptor reduziert.
Zweitens konnte von DHT und seinen Stoffwechselprodukten gezeigt werden, dass diese die Produktion von Östrogen aus Androgenen durch eine Hemmung der Aktivität des Aromataseenzyms direkt hemmen. Diese im Brustgewebe durchgeführten Studien zeigten, dass DHT, Androsteron und 5alpha-Androstandione potente Hemmer der Bildung von Östrogen aus Androstenedion sind. Von 5alpha-Androstandione konnte gezeigt werden, dass es die stärkste Wirkung aufweist, wogegen die Wirkung von Androsteron am schwächsten ausfiel.
Zu guter Letzt agiert DHT am Hypothalamus und der Hypophyse, um die Ausschüttung von Gonadotropinen zu reduzieren. Durch eine Reduzierung der Ausschüttung von Gonadotropinen wird die Produktion der Rohmaterialien für die Östrogenproduktion – Testosteron und Androstenedion – reduziert. (DHT selbst kann nicht in Östrogen umgewandelt werden). Diese Eigenschaft von DHT ist von besonderem Nutzen, wenn es exogen verabreicht wird, was im nächsten Abschnitt detaillierter beschrieben wird.
DHT, Östrogen und die Prostata
Wenn es um Sexualhormone geht, wird vom allgemeinen Konsumenten nur wenig so falsch verstanden, wie die Beziehung zwischen Prostata und DHT. Die inakkurate und zu sehr simplifizierte Einstellung, dass DHT für eine Hypertrophie der Prostata und sogar Prostatakrebs verantwortlich ist, herrscht bei den meisten Menschen vor.
Die wahre Situation ist natürlich sehr viel komplexer. Man muss verstehen, dass es deutliche Unterschiede zwischen einem gesunden Prostatawachstum, einem Prostatawachstum aufgrund einer BPH und einem krebsbedingten Wachstum der Prostata gibt.
Die erste Phase des Prostatawachstums steht mit der Pubertät und der Ausschüttung von Androgenen durch die Hoden in Verbindung. Dieses Wachstum entwickelt die Prostata aus ihrem prepubertären Schlaf zur normalgroßen, gesunden und funktionellen Prostata eines Erwachsenen. Während der frühen und mittleren erwachsenen Jahre bleibt die Prostata trotz konstant hoher Androgenspiegel im Körper in diesem Zustand. Wenn Androgene jedoch im Körper blockiert werden, dann wird die erwachsene Prostata schrumpfen. Dies kann durch eine Kastration oder sogar eine Blockade des 5-AR Enzyms geschehen (man sollte sich daran erinnern, dass DHT das aktive Androgen in der Prostata ist).
Später im Leben kommt es häufig zu einer zweiten Phase des Wachstums. Dieses Wachstum wird als gutartige Prostatahypertrophie (BPH) bezeichnet und findet in einem völlig anderen hormonellen Zustand als das Wachstum während der Entwicklung statt. Die Hinweise verdichten sich, dass die Existenz eines hohen Verhältnisses von Östrogen zu Androgenen – ein Zustand, der bei älteren Männern häufig auftritt – in engem Zusammenhang mit der Entwicklung einer BPH steht.
Experimentelle Studien haben die Unfähigkeit von Androgenen mit gesättigten A Ringen (mit DHT Verwandt) zur Induzierung eines initialen Zustandes einer Prostatahypertrophie gezeigt. Diese Verbindungen können nicht aromatisieren. Aromatisierende Androgene wie Testosteron oder Androstenedion können hingegen hyperplastische Modifizierungen der Prostata von Affen induzieren, wobei diese Wirkungen durch die Zugabe eines Aromatasehemmers reversible sind.
Offensichtlich ist Östrogen bei einer BPH der verursachende Faktor – akkurater gesagt wahrscheinlich Östrogen in Gegenwart einer minimalen, erlaubenden Menge von Androgenen.
Für viele Leser wird all dies nichts neues sein, doch ich wette, dass nur wenige wissen, dass DHT sogar verwendet werden kann, um eine BPH zu behandeln! Wie kann es dies tun? Es tut dies im Grunde genommen dadurch, dass es das Testosteron im Körper ersetzt, wodurch letztendlich die Menge des Östrogens im Körper reduziert wird. Wie ich bereits zuvor zu erklären begonnen habe, ist DHT ein starkes Androgen, das der Hypophyse signalisiert die Produktion von Gonadotropinen zu reduzieren. Diese Reduzierung der Gonadotropine resultiert in einer reduzierten Testosteronproduktion, welche ihrerseits bewirkt, dass die Östrogenspiegel sinken. Die resultierende Veränderung des hormonellen Milieus (hohe DHT Spiegel, niedrige Östrogenspiegel) resultiert schließlich in einem Rückgang einer BPH.
Die klinische Anwendung dieser Theorie wird in US Patent 5,648,350 „Dihydrotestosterone for use in androgenotherapy“ beschrieben. Das folgende illustriert die Resultate:
„Bei 27 Probanden, bei denen die Plasma DHT Spiegel zum Zweck der Regulierung der verabreichten Dosierung kontrolliert wurden, stiegen besagte Spiegel auf 2,5 bis 6 ng/ml. Dies resultierte in einer Reduzierung der Gonadotrophie, sowie der Testosteron Plasmaspiegel, welche mindestens 1,5 ng/ml (von 0,5 bis 1,4) überschritt. Was die Östradiol Plasmaspiegel angeht, sanken diese um 50%.
Bei dieser Gruppe von Probanden nahm das Volumen der Prostata signifikant ab, was mit Hilfe einer Ultraschalluntersuchung und einer Untersuchung der PSA Spiegel (Prostate Specific Antigen) untersucht wurde. Das durchschnittliche Volumen der Prostata lag bei 31.09.+-.16.31 Gramm vor der Behandlung und 26.34.+-.12.72 Gramm nach der Behandlung, was einer durchschnittlichen Reduzierung um 15,4% innerhalb einer 1,8 Jahre andauernden Behandlung mit DHT (P=0.01) entspricht.“
Dies widerspricht der traditionellen Denkweise bezüglich einer BPH völlig, oder?
Fazit
Menschen haben eine natürliche Tendenz Dinge ohne Graubereiche entweder als gut oder schlecht zu klassifizieren. DHT befand sich (genau wie Östrogen) in letzter Zeit auf jedermanns Liste der schlechten Dinge und wird häufig als ein Hormon angesehen, das im Körper keine Funktion erfüllt außer Schaden zu verursachen. Wie man sieht, ist dies weit von der Realität entfernt. Meiner Meinung nach sollte der weit verbreitete Einsatz von 5-AR Hemmern wie Proscar als prophylaktischer Wirkstoff bei Personen, die diesen nicht wirklich brauchen, überdacht werden. Man sollte DHT eine Pause gönnen.