Androgene, Libido und Sexualfunktion

Androgene Hormone wie Testosteron und anabole Steroide (sowie Prohormone) werden schon seit langem von Sportlern aufgrund ihrer Wirkungen bezüglich der Steigerung von Muskelmasse und Kraft verwendet. Die anabole Wirkung auf die Muskeln ist mit Sicherheit nicht die einzige physiologische Wirkung, die diese Hormone besitzen und für viele Menschen, die nicht unbedingt an größeren Muskeln interessiert sind, könnten Androgene andere spezielle Vorzüge bieten, die ihre Verwendung rechtfertigen. Diese Vorzüge umfassen unter anderem eine Verbesserung des allgemeinen psychologischen Zustandes und eine Optimierung von Libido und Sexualfunktion.

 

Biochemischer Hintergrund

Testosteron ist das primäre androgene Hormon. Es übt seine Wirkungen auf den Körper sowohl direkt als auch über eine Umwandlung in Stoffwechselprodukte (DHT, Östradiol, usw.) aus. Androgene und andere Steroidhormone üben ihre direkten Wirkungen über ein Anbinden an spezifische Rezeptoren im Zytosol der Zellen aus. Beim Anbinden an diese Rezeptoren bildet das Hormon mit dem Rezeptor einen Komplex, der in den Kern der Zelle wandert, wo er mit der DNA interagiert, um die Bildung spezifischer Proteine zu fördern, welche dann die eigentlichen biologischen Veränderungen steuern.

Innerhalb des zentralen Nervensystems (ZNS) gibt es spezifische Bereiche, die eine hohe Androgenrezeptordichte aufweisen. Androgene und andere Steroide sind dazu in der Lage, die Blut-Hirn Schranke zu überwinden und mit ihren entsprechenden Rezeptoren im Zytosol des ZNS zu interagieren. Der Hypothalamus und die vordere Hypophyse weisen eine besonders hohe Androgenrezeptordichte auf und an dieser Stelle helfen diese dabei, die Ausschüttung von Androgenen und anderen Hormonen, die eine große Bandbreite von biologischen Funktionen steuern, zu regulieren. Androgenrezeptoren finden sich auch im zerebralen Kortex, dem Rückenmark und der Amygdala wieder. Ihre spezifischen Funktionen an diesen Orten sind bisher noch nicht so gut erforscht.

Die Prozesse der Androgenaktionen, die eine Rezeptorbindung und eine DNA Translation umfassen, sind auch als Rezeptor vermittelte oder „genomische“ Hormonaktionen bekannt. Es gibt jedoch auch weniger bekannte Aktionen von Steroidhormonen, die nicht genomischer Natur sind. Nicht genomische Aktivitäten sind im zentralen Nervensystem besonders weit verbreitet, wo sie in Kombination mit genomischen Aktivitäten spezifische Wirkungen produzieren.

Nicht genomische Aktionen von Steroidhormonen unterscheiden sich auf eine sehr wichtige Art und Weise von genomischen Aktionen. Genomische Wirkungen manifestieren sich über einen relativ langen Zeitraum (Tage), da sie einer komplexen Kaskade von Ereignissen bedürfen (Rezeptorbindung, Translation, Transkription, Ansammlung aktiver Enzymprodukte), bevor das eigentliche physiologische Zielorgan verändert wird. Nicht genomische Aktionen sind hingegen extrem schnell (< 1 Minute). Sie sind schnell, da ihre Wirkung eine sofortige Veränderung der Membrane von Zellen (insbesondere Nervenzellen) umfasst. Diese Veränderungen können eine Veränderung der Durchlässigkeit von Membranen sowie eine öffnende Wirkung auf vitale Ionenkanäle sein. Das Endresultat ist ein schneller und signifikanter Einfluss auf die Aktivitäten von Schlüsselbereichen im Gehirn und die Relevanz hiervon für die medizinische Verwendung von androgenen Hormonen oder Prohormonen sollte nicht übersehen werden.

 

Der parakrine Stoffwechsel

Bis jetzt habe ich die grundlegenden Mechanismen der Androgenaktivität im zentralen Nervensystem grob abgedeckt. Ein sehr wichtiger Aspekt hiervon wurde jedoch bis jetzt noch nicht behandelt und dies betrifft die Aktivierung von Androgenen an den Zielen im ZNS durch eine enzymatische Verstoffwechslung. Hiermit meine ich die Umwandlung von Testosteron in seine beiden wirkungsvollsten Stoffwechselprodukte: Dihydrotestosteron (DHT) und Östradiol.

Den meisten Menschen ist nicht bewusst, dass Testosteron, auch wenn es selbst ein aktives Hormon ist, in einigen der wichtigsten Bereiche des Körpers und des Gehirns lediglich als Prohormon dient. Es gibt überall im ZNS Bereiche, die hohe Konzentrationen der Enzyme 5-alpha Reduktase, Aromatase oder beider Enzyme aufweisen. Dies sind insbesondere Bereiche des ZNS, die mit der Libido im Zusammenhang stehen. In diesen Bereichen muss Testosteron erst umgewandelt werden, um seine Botschaft vollständig übermitteln zu können.

Die 5-alpha Reduktase findet sich in bestimmten Bereichen des Gehirns, insbesondere der weißen Gehirnmasse, in hohen Konzentrationen wieder. Sie befindet sich insbesondere im Myelin (äußere fettige Myelinscheide der Neuronen). Die 5-alpha Reduktase wandelt Testosteron in DHT um, welches ein sehr viel stärkeres Androgen als Testosteron darstellt. Als Resultat hiervon wird das androgene Signal von Testosteron in 5-alpha Reduktase reichem Gewebe „verstärkt“. Die Signifikanz der 5-alpha Reduktion für die psychosexuellen Aktionen von Testosteron wird bei Personen, die Finasterid (Proscar, Propecia) zur Behandlung einer Prostatahypertrophie oder gegen androgenbedingten Haarausfall einnehmen deutlich. Bei einem signifikanten Anteil dieser Personen treten trotz einer leichten Erhöhung der zirkulierenden Testosteronmenge ein Libidoverlust und eine Beeinträchtigung der Sexualfunktion als Nebenwirkungen auf.

Die Aromatase ist das Enzym, das die Umwandlung von Androgenen (Androstenedion, Testosteron) in Östrogene katalysiert. Es findet sich auch in bestimmten Bereichen des Gehirns in hoher Konzentration wieder (häufig in Verbindung mit der 5-alpha Reduktase), was insbesondere in den Bereichen der Fall ist, die für die neuroendokrine Kontrolle der Gonadotropin Ausschüttung und des sexuellen Verhaltens essentiell sind. Androgene sind für ihre essentielle Rolle bei der Sexualität bekannt, doch ohne die Gegenwart von Östrogenen sind sie nahezu wirkungslos. Studien haben gezeigt, dass eine Verhinderung der Bildung von Östrogen durch die Verwendung von Aromatasehemmern oder aufgrund eines angeborenen Aromatase Defekts das sexuelle Verlangen und die Sexualfunktion trotz der Gegenwart normaler oder hoher Androgenspiegel stark reduziert.

 

Ostdeutsche Untersuchungen

Eine Gruppe ostdeutscher Wissenschaftler hat das durchgeführt, was vielleicht die ausgiebigste „praktische“ Untersuchung der psychologischen Vorzüge von Androgenen darstellt. Ihre Untersuchungen konzentrierten sich nicht so sehr auf die prosexuellen Wirkungen von Androgenen, sondern mehr auf das, was sie als psychophysiologische Eigenschaften bezeichneten.

Die psychophysiologische Kapazität ist die Fähigkeit eines Individuums mit Stress fertig zu werden (körperlich, mental und emotional). Diese Kapazität wird durch die Fähigkeit zur Aktivierung der entsprechenden Zentren im zentralen Nervensystem bestimmt. Die psychophysiologische Kapazität kann durch die Anwendung stressiger Stimuli und eine Messung der Verschiebung der Alphafrequenz eines Enzephalogramms ausgewertet werden. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass körperlicher oder psychischer Stress bei Personen, die die psychophysiologische Kapazität besaßen, mit diesem speziellen Stress umgehen zu können, zu einer Erhöhung um etwa 4 bis 6 Herz im Vergleich zum Ausgangswert führte. Wenn der Stress für eine Person exzessiv wird, dann sinkt die Alphafrequenz, nachdem sie das 4 bis 6 Herz Optimum erreicht hat und kann auf Werte unterhalb der Basislinie absinken.

Zu der Zeit, zu der diese Untersuchungen durchgeführt wurden, gab es substanzielle, von der Regierung geförderte Untersuchungsanstrengungen im Bereich der sportlichen Leistungssteigerungen und wie der Leser vielleicht schon erraten hat, wurden die erwähnten Untersuchungen mit Sportlern durchgeführt. Die Erhöhung der Frequenz der Alphawellen wird bei Sportlern nicht nur mit dem körperlichen Stress durch Training oder Wettkampf, sondern auch mit den mit der Vorbereitung und den Ereignissen selbst verbundenen mentalen Anstrengungen in Verbindung gebracht. Die psychophysiologische Kapazität der Sportler, die mit Hilfe des Enzephalogramms gemessen wurde, wird durch Umstände wie eine falsche Vorbereitung, Angst, Überanstrengung und störende persönliche Probleme negativ beeinflusst. Als Resultat hiervon leidet die sportliche Leistungsfähigkeit häufig in deutlichem Umfang. Die Ostdeutschen glaubten, dass es nicht nur von entscheidender Bedeutung war, solche Stressfaktoren vor einem Wettkampf zu vermeiden, sondern dass sie außerdem Wege finden mussten, um die psychophysiologische Kapazität zu erhöhen, um hierdurch die Fähigkeit zu verbessern, mit den Stressfaktoren vor einem Wettkampf (ganz zu schweigen vom Stress während dem eigentlichen Wettkampf) zurecht zu kommen.

Man sollte im Hinterkopf behalten, dass die Resultate dieser Untersuchungen nicht nur auf Sportler, sondern auch auf jeden anderen mit reduzierter psychophysiologischer Kapazität (z.B. ältere Menschen) oder Menschen, die mit großen Mengen an Stress zurecht kommen müssen (z.B. College Studenten vor einem Examen), anwendbar sind.

Die Ostdeutschen entdeckten, dass die richtige Administration androgener Hormone eine deutliche Auswirkung auf die psychophysiologische Kapazität besaß. Substanzen, von denen bekannt ist, dass sie für diesen Zweck untersucht und verwendet wurden, umfassen Mestanolon (Methyl-DHT), Oral-Turinabol (Dehydrochloromethyltestosteron), Testosteron und Androstenedion. Die Verbindungen Mestanolone und Androstenedion sind von besonderer Signifikanz. Von diesen beiden Substanzen ist bekannt, dass sie nur eine minimale anabole Auswirkung auf die Muskelmasse besitzen, wogegen ihre Fähigkeit, die Stressbehandlungskapazitäten des ZNS zu aktivieren mit denen von Testosteron und anderen androgenen/anabolen Steroide mithalten können, oder diese sogar übersteigen.

Ein Beispiel aus der Fachliteratur beschreibt die tägliche orale Verabreichung von 10 mg Mestanolon an 54 Probanden, die einer Langzeitstressbelastung ausgesetzt waren. Es konnte eine Erhöhung der Alphawellenfrequenz um bis zu 4 Hertz beobachtet werden und dies wurde mit einer deutlichen Leistungssteigerung bei Tätigkeiten in Verbindung gebracht, die eine hohe körperliche Leistung, eine intensive mentale Konzentration und einen hohen Grad an körperlicher Koordination bedurften.

Auch wenn sie sich als effektiv erwies, war die orale Verabreichung nicht die bevorzugte Darreichung der Ostdeutschen. Sie bevorzugten stattdessen die intra-nasale Zufuhr.

Aufgrund der örtlichen Nähe der Nasenpassage zur Gehirnbasis glaubten die Ostdeutschen, dass die Absorption an dieser Stelle die Passage von Steroiden durch die Blut-Hirn Schranke in die Gehirn-Rückenmarksflüssigkeit maximiert, wo diese Wirkstoffe genomische und nicht genomische ZNS Androgenaktivitäten stimulieren können.

Die intra-nasale Zufuhr ermöglichte außerdem einen schnellen Wirkungseintritt, wodurch sie ideal für eine Verwendung vor dem Wettkampf war. Laut ostdeutschen Daten erreichten die Steroidspiegel im Blut 15 Minuten nach der intra-nasalen Zufuhr ihr Maximum und fielen nach 90 Minuten wieder auf den Ausgangswert ab. Die Spiegel im ZNS steigen wahrscheinlich noch früher (Sekunden bis Minuten) an. Darüber hinaus entdeckten die Ostdeutschen, dass das Verhältnis von Testosteron zu Epitestosteron im Urin bei einer intra-nasalen Verwendung von Testosteron und Androstenedion nach 24 Stunden wieder den Normalwert erreichte, wodurch es ihnen möglich war, einen Dopingtest nach dem Wettkampf zu bestehen.

 

Prohormone für eine Aktivierung des ZNS

Welche Signifikanz hat all dies für den durchschnittlichen Leser? Es hat einiges an Relevanz, da legale, frei verkäufliche androgene Prohormone speziell darauf zugeschnitten sind, sich die ZNS Wirkung von Androgenen zu Nutze zu machen. Neben den bereits erwähnten Enzymen 5-alpha Reduktase und Aromatase befinden sich in denselben Zentren des ZNS auch hohe Konzentrationen der Enzyme, die Prohormone in aktive Androgene umwandeln (17 beta Hydroxysteroid Dehydrogenase und 3alpha(beta) Dehydrogenase). Dies hat zur Folge, dass eine Verabreichung dieser Prohormone, auch wenn diese nicht immer einen substanziellen Anstieg der Blutspiegel androgener Hormone zu Folge hat, eine starke Erhöhung der Androgenaktivität in den Schlüsselzentren des ZNS zur Folge haben kann. Aus diesem Grund können Prohormone als auf das ZNS abzielende Version von Testosteron angesehen werden. Sie sollten aufgrund der Tatsache, dass sie viele der psychophysiologischen und prosexuellen Vorzüge von Testosteron besitzen, während sie einen großen Teil der systemischen Toxizität meiden, die mit der Langzeitanwendung von Testosteron in Verbindung gebracht wird, als wertvolle Produkte angesehen werden. Prohormone verleihen dem Anwender außerdem die Fähigkeit potente sofortige Wirkungen zu erreichen, wobei ihre Verwendung auf die Zeitpunkte vor wichtigen körperlichen, mentalen oder sexuellen Aufgaben begrenzt werden kann. Die abschließende Botschaft ist deshalb, dass Prohormone sicher angewandt werden können und unabhängig davon, ob der Aufbau von Muskeln eine Priorität darstellt, potentielle Vorzüge für eine große Bandbreite von Personen besitzen.

 

REFERENZEN:

Carani C, et.al., „Role of Oestrogen in Male Sexual Behavior: Insights from the Natural Model of Aromatase Deficiency“, Clin Endocrinol 1999, 51(4): 517-24

Celotti F et.al., „The 5 alpha-reductase in the Brain: Molecular Aspects and Relation to Brain Function“, Front Neuroendocrinol 1992, 13(2): 163-215

Choate JV, et.al., „Immunocytochemical Localization of Androgen Receptors in Brains of Developing and Adult Male Rhesus Monkeys“, Endocrine 1998, 8(1): 51-60

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