Ein Interview mit Ronnie Coleman

Ein Interview mit Ronnie Coleman

Dieses persönliche Interview entstand im Jahre 2007, kurz nach Ronnies Rücktritt. Für alle Ronnie Coleman Fans ein sehr interessantes & informatives Interview!

Wann hast du beschlossen nicht mehr bei der Olympia mitzumachen?

Ronnie Coleman: Gleich nach der Bekanntgabe der Ergebnisse der Mr. Olympia 2006. Ich war tief enttäuscht nicht zum neunten Mal gewonnen zu haben.

Was hat dich zurückgebracht?

Ronnie Coleman: Nach dem Wettkampf kam Lee Haney (ebenfalls 8facher Mr. Olympia) backstage und redete mit mir. Er sagte, ich sollte es noch mal versuchen, dass ich weitermachen sollte, weil ich eine große Zukunft in dem Sport hätte. Ich dachte, Naja, okay, vielleicht versuche ich es noch einmal, aber dann ist Schluss. Danach würde ich meinen Abschied von der Mr. Olympia- Bühne erklären. Niemand hat mich gefragt, also habe ich es für mich behalten. In einem Radiointerview auf Pro Bodybuilding Weekly ungefähr zwei Wochen vor der O fragte mich dann jemand, und ich erklärte dass ich mich zur Ruhe setzen würde.

Was war der Grund für deinen Abschied? Verletzungen, Stress oder hattest du einfach den Willen verloren, noch einmal mit Olympia- Intensität zu trainieren?

Ronnie Coleman: Nichts von all dem. Gerade das Gegenteil traf zu. Härter als vor dem Mr. Olympia 2007 habe in meinem ganzen Leben nicht trainiert. So habe ich mich wirklich noch nie gequält, noch nie soviel hineingesteckt.

Nachdem du deinen Abschied beschlossen hattest und dann 2007 doch zurückgekommen bist, war es niederschmetternd, nicht zu gewinnen?

Ronnie Coleman: Es war vermutlich die größte Enttäuschung meines Lebens, gerade weil ich all die Jahre Erster geworden war, achtmal hintereinander.

Wie hast du den Entschluss geschafft, auf keinen weiteren Olympia-Titel mehr Anlaufen nehmen zu wollen?

Ronnie Coleman: Es geht darum, etwas Neues zu machen, und diese Entscheidung traf ich gleich nach der Mr. Olympia 2006. Darum, dass ich nicht weitermachen könnte, ging es nie. Schließlich bin ich 2007 nicht Letzter sondern vierter geworden, was eine ziemlich respektable Platzierung ist. Nein, es war wie bei Lee Haney, der nach acht Titeln gegangen war, oder bei Dorian Yates, der sechsmal gewonnen hat und aufhörte. Irgendwann hast du keine Lust mehr, jahrein jahraus dasselbe zu machen. Du kommst an einen Punkt an dem du etwas anderes machen willst. So war es bei mir. Ich war bereit. Ich war an den Punkt gekommen, an dem auch Lee und Dorian gestanden hatten und ich wollte etwas anderes machen, ob an anderen Wettkämpfen teilnehmen oder einen ganz anderen Weg einschlagen.

Nach deiner letzten Olympia hast du noch lange in der Stille des menschenleeren Auditoriums gesessen, ganz allein bis auf einen einzigen Arbeiter, der noch irgendwo rumlief. Du gingst als allerletzter nach Hause. Hast einfach da gesessen, melancholisch, das sah man, und in der Gewissheit, dass es das gewesen war. Was genau ging dir in jenen Stunden durch den Kopf?

Ronnie Coleman: Ich saugte alles in mir auf, all die Jahre, die vielen Erinnerungen. Wenn du weißt, dass du etwas zum letzten Mal tust, willst du den Augenblick so bewusst wie möglich wahrnehmen. Du klammerst dich an die Realität des Augenblicks, willst nicht dass er verblasst. Ich genoss es, dort zu sitzen, backstage, mich an all die Jahre zu erinnern, in denen ich am selben Platz gesessen und all diese Wettkämpfe gewonnen hatte. Für mich ist backstage der Ort, wo alles passiert. Dort werde ich mich nie mehr als Wettkämpfer aufhalten, und das wollte ich nochmal in vollen Zügen genießen. Irgendwann dachte ich: Warum sitze ich immer noch hier? So lange bin ich noch nie geblieben. Besser ich beeile mich und gehe, bevor sie mir den Stuhl wegziehen. Und jetzt was? Ich werde Gastposings machen, vielleicht auch ein oder zwei andere Wettkämpfe, wenn ich Lust habe, wie die Arnold- Classic eventuell oder ein paar Wettkämpfe in Europa. Kleinere Sachen, nicht mehr so groß wie die Olympia.

Was hast du außerhalb von Wettkämpfen vor?

Ronnie Coleman: Gastposings und Seminare, solange wie es mir möglich ist, denn ich habe viel Wissen, das ich unter die Leute bringen will und ihnen dadurch helfen möchte. Ich werde immer gut in Form sein. Nicht 136kg schwer und definiert, aber nicht weit davon entfernt. Ich will weiterhin Werbung für den Sport machen?

Freust du dich auf die Zukunft?

Ronnie Coleman: Sehr. Man hat mich kontaktiert, ob ich Interesse hätte, Wettkämpfe in Europa zu veranstalten. Darauf hätte ich auch Lust. Ich habe eine riesige Fangemeinde in Europa, die andere Bodybuilder nicht haben.

Wie wird dein künftiges Training aussehen?

Ronnie Coleman: Training ist mein Hobby, was heißt dass ich trainieren werde, bis ich sterbe. Deshalb habe ich in meinem Haus ein Studio bauen lassen. Das habe ich nicht nur für die Olympia gebaut? Ich fing letztes Jahr an, darin zu trainieren. Davor habe ich im Metroflex Gym trainiert. Mein Heimstudio habe ich gebaut, weil Training mein Hobby ist, weil ich trainieren will, bis ich sterbe, und weil ich hier in meinem Haus trainieren will, ohne in ein Studio fahren zu müssen.

Beschreibst du uns dein Heimstudio?

Ronnie Coleman: Es hat alles, was ich brauche und im Metroflex Gym benutzt habe. Laufbänder, StairMaster, Crosstrainer, Fahrradergometer, Bänke, eine Beinpresse, Kniebeugeständer, Kabelstationen, Sachen, um den Bauch zu trainieren- ich habe alles. Sogar ein paar Dinge, die andere Studios nicht haben. Für mein Heimstudio habe ich 150.000 Dollar springen lassen, mehr als für mein Haus- das hat mich 125.000 Dollar gekostet- und ausschließlich kommerzielle Trainingsgeräte gekauft. Meine Kurzhanteln beginnen bei 2,5kg und gehen bis 90kg rauf. So gut sind noch nicht einmal manche Profi- Studios ausgestattet.

Was ist deine schönste Erinnerung?

Ronnie Coleman: Mein erster Mr. Olympia Sieg. Das habe ich immer gesagt. Das erste Mal zu gewinnen, als ich überhaupt nicht damit rechnete. Daran kommt nie etwas ran. Die stehende Ovation, die ich bei der Olympia 2007 hatte, war klasse und alles, aber mein erster Sieg ist mit nichts zu vergleichen, weil er mich so unvorbereitet traf und ich mir nie Gedanken darüber gemacht habe, den Mr. Olympia zu gewinnen. Das war etwas, das ich für unerreichbar hielt. Ich fing wegen einer Gratis Studiomitgliedschaft mit Bodybuilding an, nicht weil ich Mr. Olympia werden wollte. Den Mr. Olympia zu gewinnen war wie ein Hundert-Millionen-Lottogewinn. Du glaubst, dass es in deinem Leben passieren wird. Du kaufst dir aus Spaß ein Los, weil der Gedanke, du könntest vielleicht doch gewinnen, aufregend ist. Ich machte bei der Olympia mit, weil ich es aufregend fand, dort zu sein, nicht um zu siegen, denn das hielt ich für unmöglich, und als es passierte, dachte ich „Wow! Das darf nicht wahr sein. Ich muss wohl träumen.“ Bei meiner zweiten Olympia war es ähnlich, doch den Moment des ersten Sieges kann nichts toppen.

Wie war es bei deinem achten Olympia Sieg?

Ronnie Coleman: An dem achten war nichts besonderes- überhaupt nichts. Es war einfach noch ein Sieg. Ein toller Sieg, klar aber nachdem man das erste Mal gewonnen hat….sie waren alle toll und wunderbar und das Beste was mir je passiert ist, doch an den ersten Sieg kommt nichts ran, nicht mal annähernd.

Glaubst du, du könntest in ein oder zwei Jahren zurückkommen und den Olympia gewinnen?

Ronnie Coleman: Das steht wahrscheinlich außer Frage, nach dem Abschied, den die Fans mir nach der letzten Olympia bereitet haben. Mann, war das ein Abschied! Wäre er nicht gewaltig gewesen, hätte ich es mir vielleicht überlegt, aber danach wäre es jetzt wirklich hart zurückzukommen, extrem hart.

Diese stehende Ovation war das Großartigste das mir je in meinem Leben passiert ist. Fast so genial wie mein erster Olympia Sieg. Ich versuchte, das was ich fühlte, auszudrücken, aber es war so überwältigend, das ich nicht die richtigen Worte finde konnte, um es auszudrücken. So war es auch, als ich meinen ersten Olympia gewann, weil ich es niemals erwartet hätte, schon gar nicht vor dem ausverkauften Saal der Mr. Olympia 2007. Ich habe noch nie von einem Olympia mit 7000 Zuschauern gehört. Seit 17 Jahren bin ich nun Profi und war bei 15 Olympias dabei, aber so eine Menge Menschen habe ich noch nie, nicht mal annähernd, dort gesehen. Ich hoffe, dass das wieder geschehen wird, glaube aber ehrlich gesagt nicht, dass es bald der Fall sein wird. Es hat lange gedauert, so viele Fans zu gewinnen, und den E-Mails, die ich bekommen habe, nach zu urteilen, sind viele vor allem gekommen, um mich zu sehen. Ich habe E-Mails von überall auf der Welt bekommen, von Leuten, die schrieben dass sie Tickets hätten. Ich hatte nicht erwartet, dass sie kommen würden, aber sie tauchten tatsächlich auf. Sie wollten mich zum neunten mal mit der Sandow (Trophäe die man bei einem Mr. Olympia Sieg bekommt) sehen, die meisten jedenfalls, das haben sie mir geschrieben. Das ist der Unterschied zwischen sagen, das man kommt, und tatsächlich kommen. Ich habe Freunde, enge Freunde, mit denen ich aufgewachsen bin, die mir versicherten: „Oh ja, klar werde ich dort sein!“ Sie tauchten nicht auf. Taten sprechen lauter als Worte, Ich glaube erst etwas, wenn ich es sehe. Ich sagte mir: „Wenn dieser Wettkampf nicht ausverkauft ist, haben diese Leute mich angelogen“ Als ich erfuhr, dass er ausverkauft war, sagte ich: „Oh, scheinbar haben sie nicht gelogen.“ Sie haben ihr Versprechen wahr gemacht. Wahnsinn.

Du hast die Mr. Olympia seit deinem ersten Sieg in New York zu einer Megaveranstaltung in Las Vegas mit 7000 Zuschauern bei deiner letzten Teilnahme heranwachsen sehen. Glaubst du, das hängt in erster Linie mit dir zusammen?

Ronnie Coleman: Darauf würde ich meinen letzten Cent wetten.

Was ist für dich die denkwürdigste Person in unserem Sport?

Ronnie Coleman: Lee Haney, mit Abstand. Ich werde nie den Moment vergessen, als ich ihn traf. Damals überreichte er mir einen Pokal für meinen vierten Platz bei Nationals (USA- Meisterschaft) 1991 in Pittsburgh. Ich dachte, „Wow! Lee Haney überreicht mir einen Pokal.“ Zum ersten Mal unterhielt ich mich mit ihm backstage bei der Mr. Olympia 1991 in Orlando, Florida, als ich Wayne DeMillia (ehemaliger IFBB Offizieller) half, die Bühne zu montieren. Das war sozusagen mein Backstage Ticket, dass ich beim Montieren der Bühne half. Lee unterhielt sich mit mir, und ich bat ihm, ein Photo von mir zu machen. „Kein Problem“ sagte er. Leider wurde das Photo nichts. Was Personen im Bodybuilding betrifft, war das eines meiner großartigsten Erlebnisse.

Was war dein interessantestes Erlebniss außerhalb der Wettkampfarena?

Ronnie Coleman: Als ich im November 2000 zur Tonight Show mit Jay Leno (ähnliche Show wie TV Total) eingeladen war. Diese Late Night Talkshow hatte ich mein ganzes Leben lang gesehen, und der Gedanke, selbst dort Gast zu sein, war purer Wahnsinn. Ich weiß nicht, wie es dazu kam. Ich war so aufgeregt, das ich glaubte keinen Satz rauszubringen, und dann saß ich da, unterhielt mich im Live Fernsehen mit Jay Leno, als sei ich ein Prominenter oder so was. Ich habe nie Lee in der Tonight Show gesehen, in der Arsenio Hall Show schon, aber nie in einer so bedeutenden Show wie der Tonight Show. Und der Grund, warum sie mich eingeladen hatten, war mein Beruf als Polizist. Es hat nie einen Mr. Olympia gegeben, der wie ich einen Vollzeit- Job neben dem Bodybuilding hatte. Die meisten Kerle in den Top 10 haben Verträge mit Nahrungsergänzungsfirmen und Magazinen. Ich hatte auch Verträge, aber ich arbeitete trotzdem Vollzeit.

Was war deine größte Enttäuschung?

Ronnie Coleman: Darauf würde ich wahrscheinlich antworten, mein vierter Platz bei der letzten Olympia, aber insgesamt war es keine Enttäuschung, weil ich diese stehenden Ovationen bekam. Ich glaube, mein Abschied hat Jays (Cutler) Sieg überschattet. Die erste Ovation war eine Reaktion auf meine Posingkür. Ich hätte auf Platz 10 landen können und wäre trotzdem glücklich gewesen, weil ich diese Ovation erhielt. Es hat mich dermaßen überrascht, dass alles andere dagegen verblasste und es mir egal war, welchen Platz sie mir letztlich gaben. Es haute mich einfach um.

Es ließ dich die Enttäuschung vergessen?

Ronnie Coleman: Komplett, und das ist die Wahrheit. Meine Enttäuschung wurde mir erst 3 Tage später bewusst, dabei gibt es nichts, worüber ich hätte enttäuscht sein können. Das ist mein Leben, Mann. Meine Karriere war so wunderbar, dass es schwer ist, zu behaupten, ich hätte Enttäuschungen erlebt. Wenn ich auf die Frage antworten soll, würde ich zwar sagen, mein vierter Platz, aber in Wirklichkeit habe ich keinen Grund zur Enttäuschung. Ich hatte die beste Karriere, die man sich wünschen kann. Kein Bodybuilder hat mehr Glück gehabt wie ich. Ich habe all diese Rekorde aufgestellt, die meisten Siege als Profi gesammelt und blicke gemeinsam mit Lee Haney auf die meisten Olympia Siege zurück- bei solch einer Bilanz kann von Enttäuschung keine Rede sein.

Welchen Rat möchtest du Nachwuchs- Bodybuildern mit auf den Weg geben?

Ronnie Coleman: Wissen. Wissen ist Macht. Wenn du genügend Bodybuilding- Wissen hast, kannst du sehr viel erreichen. So habe ich den Olympia gewonnen, mit Wissen.

Wenn du zurückblickst auf die Zeit, als du Zeitungen und Pizza ausfuhrst, was würdet du in deinem Leben ändern wollen?

Ronnie Coleman: Gar nichts. Mein Leben war bis hierher fantastisch. Ich habe stets das Beste aus dem gemacht, was mir vorgesetzt wurde, und das mit Stolz. Es war alles gut.

Welches Vermächtnis möchtest du gern hinterlassen?

Ronnie Coleman: Ich möchte nicht sagen, dass ich fertig bin. Die Leute sagen, ich sei der größte Bodybuilder aller Zeiten, aber ich selbst kann das nicht sagen, weil es an anderen liegt, solches Lob zu verteilen. Man selbst kann so etwas nicht sagen, weil das zu egozentrisch wäre. Doch wenn man mich als größten Bodybuilder aller Zeiten in Erinnerung behalten würde, wäre das das einzige Vermächtnis, das ich hinterlassen möchte. Wenn du in irgendwas der Größte bist, hast du alles erreicht. Mehr als das kann man nicht tun.

Wir werden dich vermissen Ronnie.

Ronnie Coleman: Ich werde es auch vermissen- ich werde es wirklich vermissen. Es war eines der Wunder in meinem Leben, es in eine solche Position zu schaffen. Das hätte ich nie ahnen können, ja nicht mal träumen. Ich hatte nie den Traum, Mr. Olympia zu werden. Es war nicht mal das Ziel von mir. Ich habe aber 8x gewonnen, und Millionen Fans überall auf der Welt- besser geht es nicht. – Ich lebe in einer Traumwelt

Quelle Flex

 

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